Putnam versucht anhand einer imaginierten Zweiterde (dieser Planet ist mit der Erde vollkommen ident, nur dass das, was wir als Wasser und chemisch mit H2O bezeichnen, auf der Zwerde eine Formel namens XYZ aufweist) die Schwierigkeiten der Begriffe Extension und Intension in den Auslegungen von Davidson (oder Carnap und Frege) aufzuzeigen. Es geht dabei um die Unvereinbarkeit von zwei Annahmen:
1. Um einen Ausdruck zu verstehen, muss man sich einfach in einem bestimmten Zustand befinden (in dem Sinne von „psychischer“ Zustand, in dem Gedächtniszustände und psychische Dispositionen psychische Zustände sind).
2. Die Bedeutung eines Ausdrucks (im Sinne von „Intension“) bestimmt seine Extension (d. h., aus der Intensionsgleichheit folgt Extensionsgleichheit).
Im Laufe der Lektüre wird dann deutlich, dass Putnams Auffassung eines „psychischen Zustandes“ (nach Definition 1) nirgendwo wirklich präzisiert wird (meine intuitive Auffassung von „psychischer Zustand“ ist durchaus mit der Behauptung im Punkt 2 kompatibel, ja berührt sie noch nicht einmal): Er bemängelt etwa, dass der PZ häufig so definiert wird, dass dieser nichts anderes voraussetzt als ein Subjekt (ich weiß nicht, auf wen sich Putnam hier bezieht: Für mich sind PZe jedoch automatisch mit einer Außenwelt – nebst dort existierenden Individuen – verknüpft, denn ansonsten wäre – solipsistische Ansätze außen vor gelassen – ein solcher Zustand kaum denkbar). Jedenfalls begreife ich PZe als zwar subjektiv (und nicht erschöpfend mitteilbar), aber nicht solipsistisch (was angesichts der Extensionsfrage auch höchst kurios wäre). Dann geht er weiter davon aus, dass zwei Personen sich im „gleichen psychischen Zustand befinden“ können (was ich prinzipiell für sehr fragwürdig halt, hier soll aber damit nur gesagt werden, dass beide mit dem Begriff A dieselbe Intension verbinden), dass aber trotzdem die Extension unterschiedlich sein kann (im Sinne der Unvereinbarkeit der beiden Punkte).
Und dafür gibt es nun die „Zwerde“ (ich halte diese Analogie für sehr dubios: Es fehlt ihr – würde der Philosoph sagen – das „fundamentum in re“, denn es ist eine Konstruktion, die eigentlich nicht einmal theoretisch vorstellbar ist. Denn die Formel H2O ist keine bloße Formel, sondern wirkt auf andere Lebensbereiche ein: So war „H2O“ bei uns nach den ersten Chemiestunden ein Hinweis auf einen (2 cm) geöffneten Hosenstall – und selbst wenn es theoretisch einen orzifar auf der Zwerde gäbe, so könnte er diese Erfahrung niemals gemacht worden sein). Der orzifar auf der Zwerde würde nach Putnam sich im gleichen psychischen Zustand befinden wie jener auf der Erde, aber die Extension des Wortes „Wasser“ wäre für ihn eine andere. Dieser ganze Aufwand wurde also betrieben, um – trotz gleicher psychischer Zustände – zu zeigen, dass die dadurch bedingte Intensionsgleichheit nicht die Extensionsgleichheit zur Folge hat. Die Zwerde hat dann auch Auswirkungen auf die Verwendung der sogenannten „starren Designatoren“ (Saul Kripke, darunter versteht man hinweisende Wörter wie „dies“, „jetzt“, etc. oder auch Pronomen) bzw. auf die Indexikalität von Begriffen: Der zwerdische Orzifar, der Kopfschmerzen verspürt und „ich habe Schmerzen“ sagt, hat eine andere Extension als der hiesige, den ebenfalls zur gleichen Zeit der Schädel brummt. Wieder scheint es so zu sein, als ob die Intension die Extension nicht bestimmen würde.
Im Grunde könnte man einfach feststellen, dass hier ein bestimmtes Wort für verschiedene Extensionen gebraucht wird (da H2O und XYZ offenbar unterschiedliche Stoffe sind). Erst durch die Zwillingskonstruktion kommt Putnam zu seiner externalistischen Sicht, für die es im übrigen immer eines Metastandpunktes* bedarf (nur ein göttliches Wesen könnte über die Befindlichkeiten der Orzifars bestimmen). Unabhängig davon, ob die Struktur von Wasser (H2O, XYZ) bekannt ist (denn solange sie nicht bekannt ist – also etwa im Jahr 1750 – ist eine Unterscheidung ohnehin unmöglich), handelt es sich hier schlicht um eine Homonymität. Denn – vom Metastandpunkt aus betrachtet – gibt es auf der Zwerde nach irdischer Definition schlicht und einfach kein Wasser und die Extension richtet sich nach dieser Tatsache: Woraus hervorgeht, dass die beiden Planeten nicht gleich und deshalb – auch als fiktive Analogie – unbrauchbar sind.
Ein weiterer Kritikpunkt Putnams ist die Vernachlässigung des sozialen Kontextes für die Intension (wieder wird aber nicht gesagt, gegen wen sich das wendet: Dass Sprachkonventionen von der Gesellschaft abhängig sind, dass Stereotypen von dieser Gesellschaft gebildet werden und ihre Tauglichkeit im alltäglichen Kommunikationsprozess beweisen müssen, scheint mir auch vor 1975 – dem Datum der Ersterscheinung des Buches – kein großes Geheimnis gewesen zu sein). Und so muten die Überlegungen Putnams zu diesen Stereotypen auch sonderbar an: Er analysiert hypothetische Fälle, in denen sich Bleistifte als Lebenwesen oder Tiger als Roboter herausstellen und damit wichtigen semantischen Markern (oder den Distinktoren**) in ihrer Definition widersprechen. Das führt zum Problem der Definition an sich (oder auch des Spracherwerbs), das bereits Quine in den „zwei Dogmen des Empirismus“ aufgegriffen hat, indem er die Frage nach der „Synonymität“*** stellte und damit (wenig überraschend) zeigte, dass Definitionen auf einen unendlichen Regress hinauslaufen. (Das Problem löst sich in Wohlgefallen auf, wenn man auf den Gewissheitsanspruch verzichtet: Dann weiß ich auch, dass „gavingai“ ein Kaninchen ist (und muss nicht behaupten, dass Übersetzungen oder Spracherlernen eigentlich unmöglich ist) und dass Definitionen immer unscharf und zeitabhängig sind, einen sog. „Kernbereich“ und eine „Unbestimmtheitszone“ (von Mises) aufweisen und es sich bei ihnen um eine „einigermaßen unzweideutige Übereinkunft über das Zutreffen oder Nicht-Zutreffen der Bezeichnung“ handelt.) Und dass Definitionen, die nach dem „Wesen“ eines Begriffs fragen, nach dem essentialistischen Teil der Intension, immer zum Scheitern verurteilt sind. Sollten sich Bleistifte als Lebewesen entpuppen (und Tiger als Roboter), so würden sie neu kategorisiert – aber niemand könnte sagen, ob damit schon das letzte Wort (in einer ohnehin immer subjektiven Ordnung) bezüglich der Gruppe von Artefakten und Lebewesen gesprochen ist.
Ich widerstehe (zugegeben mit Leichtigkeit) der Versuchung, anderen Schwierigkeiten von Putnams Bedeutungstheorie nachzugehen (die kritische Literatur dazu ist Legion – und sie ist zu einem guten Teil ein Beispiel für Unlesbarkeit über ein mehr als fragwürdiges Thema). Nach über 40 Jahren machen Texte wie der vorliegende einen leicht verstaubten Eindruck – und die Tatsache, dass ihre Verfasser die eigene Theorie immer wieder völlig auf den Kopf gestellt haben, lässt vermuten, dass es sich hier doch meist um ein akademisches Glasperlenspiel handelte. Für mich war es ein leicht nostalgischer, zeitweise amüsanter Ausflug in die Vergangenheit.
*) Putnam hat später die Realität vollkommen eliminiert und einen Internalismus vertreten.
**) Schon dieser so gewichtig vorgetragene Unterschied (Marker sind für die Definition konstituierend, Distinktoren nicht – z. B.: Die Tierhaftigkeit des Tigers ist ein Marker, seine Streifen hingegen ein Distinktor) ist ganz offenkundig künstlich. Und er ist nicht bedeutender als die Unterscheidung zwischen primären und sekundären Qualitäten.
***) Dieses Problem der Übersetzbarkeit (oder auch der Synonymität) stellt sich auch dort, wo die Wahrheitstheorie als Bedeutungstheorie herangezogen wird: „‚Der Schnee ist weiß‘ ist wahr genau dann, wenn der Schnee weiß ist“, bringt einen nur dann weiter, wenn man weiß, was weißer Schnee ist.
Putnam, Hilary: Die Bedeutung von „Bedeutung“. Frankfurt a. M.: Klostermann 1990.