Zurück von Pico. Pico ist die jüngste der Azoren-Inseln (die ja alle vulkanischen Ursprungs sind). Mit gerade mal 300’000 Jahren ist sie erdgeschichtlich gesehen nachgerade noch ein Baby. Das Wetter allerdings war bei diesem Baby bedeutend besser als auf São Miguel, weil wärmer und beständiger – sprich: praktisch immer Sonnenschein.
Die eine Whale-Watching-Tour, die wir dort gebucht hatten, war allerdings nur ein halber Erfolg. Wohl sahen wir – wieder einmal – noch mehr Delfine und auch andere Delfinarten als bisher, aber der ganz grosse „Erfolg“, die Sichtung eines Wals, blieb aus.
Dafür besuchten wir ein Walfang- (oder Fänger?) Museum in Lajes. Der Walfang auf den Azoren wurde erst 1984 eingestellt, und noch leben ein paar der Leute, die damals noch „echten“ Walfang betrieben haben – viele davon arbeiten heute im touristischen Bereich der Whale-Watching-„Industrie“. Der Stolz auf die „gute, alte Zeit“ ist allerdings im Museum an allen Ecken und Enden zu spüren. Neben den üblichen regionalhistorischen Exponaten stand vor allem ein alter englischer Dokumentarfilm über die letzten Walfänger im Vordergrund. Der Film muss in den 1950ern entstanden sein. Walfang war damals und zumindest auf den Azoren noch ein hartes Handwerk, das mit einer Art Dinghi, einem grossen Ruder- und Segelboot betrieben wurde. Wenn der speziell abgeordnete Posten die Blasspuren eines Wals erblickt und Alarm gegeben hatte, wurden diese Dinghis mit Motorbooten in die richtige Gegend gezogen, wo sie dann auf sich selber angewiesen, den Wal jagten. Der eine oder andere der Walfänger – das wurde im Museum klar gemacht – muss dabei auch schon mal von einem Wal schwer verletzt worden sein. Schon in den 1950ern hat allerdings der Walfang den azoranischen Familien kein Einkommen mehr gesichert. Man arbeitete im Acker- und Weinbau oder trieb ein weiteres Handwerk.
Mann gegen Wal, ohne grössere Hilfsmittel als eine Harpune: Wenn Hemingway von den azoranischen Walfängern gewusst hätte – er hätte diese Männer in seinen Romanen und Kurzgeschichten geschildert und glorifiziert.
Im Übrigen ist Lajes, die wohl grösste Ortschaft auf Picos, ein relativ langweiliges kleines Nest am Südufer der Insel. Noch ruhiger und kleiner als Punta Delgada auf São Miguel, schlägt es diese Ortschaft in einem: Ich habe in Lajes in drei Stunden undendlich viel mehr Hundehäufchen auf dem Trottoir gefunden, als in drei Tagen in Punta Delgada. In letzterem nämlich bin ich nie auf eines gestossen (meine Frau allerdings behauptet, eines gesehen zu haben…), in Lajes innert kürzester Zeit auf deren zwei. Auch Katzen strichen auf den Dächern von Lajes herum – in Punta Delgada habe ich noch keine gesehen.
Die Kleinheit der Insel und der Ortschaft zeigte sich auch darin, dass wir dort nur ein nennenswertes Restaurant gefunden haben. Dieses allerdings war – wenn man nicht vegetarisch essen wollte wie meine Frau – recht gut. Vor allem die Feijoada schmeckte ausgezeichnet. Sie wurde dort als typische Spezialität von Lajes angepriesen; als ich die Kellnerin fragte, was denn der Unterschied wäre zur Feijoada, die als brasilianisches Nationalgericht gilt, konnte sie mir allerdings keine Auskunft geben. Sie wusste offenbar nicht einmal, dass es ausserhalb von Lajes auch eine Feijoada gibt.
Ausser Eidechsen, waren vor allem die Seevögel interessant – bzw. nahmen mangels Walsichtungen unser Interesse in Anspruch. Besonders witzig ist der Gelbschnabel-Sturmtaucher. Wer im Internet nach Tondokumenten über ihren Gesang sucht, wird mit mindestens drei Einträgen fündig, die anzuhören sich lohnt. Als wir in der ersten Nacht auf Pico diesen Gesang hörten (diese Vögel singen nur nachts!), dachten wir zuerst an einen Betrunkenen, der sich einen seltsamen Scherz erlaubt. Aber man glaube mir: Diese Vögel klingen wirklich so.