Röbi Koller: Umwege

Für meine Nicht-Schweizer Leser: Röbi Koller ist ein (wie wir sagen) Fernseh-Schaffender und hat es als solcher hierzulande zu etwelcher Bekanntheit gebracht. Ausserhalb der Schweiz wird man ihn nicht kennen.

Ich habe Röbi Koller einmal die Allzweckwaffe des Schweizer Fernsehens genannt. Dass er das ist, verdankt er einer Eigenheit: Röbi Koller ist der idealtypische Schweizer. Das beginnt schon mit seiner Familie, wo unter den Gross- oder Urgrosseltern auch Deutsche zu finden sind (etwas, das in Schweizer Familien gar nicht so selten vorkommt, wie man glauben möchte). Da sind, schon weniger typisch, seine Grosseltern, Auslandschweizer, die sich in Istanbul kennen gelernt haben, dort geheiratet haben und auch eine Zeitlang dort gelebt haben. Als Nicht-Anatolen gehörten sie dort zur besseren Gesellschaft, sie liessen kochen, putzen, waschen und legten Wert auf eine gepflegte äussere Erscheinung. Fast dekadent nennt Röbi Koller das. Immerhin will er diesen Grosseltern seine Liebe zur Grossstadt verdanken – wenn’s nicht Istanbul ist, dann wenigstens Zürich.

Röbi Koller ist auch sonst der idealtypische Schweizer. Neben seiner Arbeit reist er gerne, unternimmt Kreuzfahrten – aber nicht jene Sorte, wo sich in jedem mediterranen Hafen Tausende vom Schiff in die Gassen eines kleinen Städtchens stürzen, in der Hoffnung, irgendwo auf einen Bazar ein Schnäppchen ergattern zu können. Röbi Koller bevorzugt Bildungsreisen – jene Sorte Kreuzfahrt, die in die Arktis oder Antarktis führt, und wo man mit Schlauchbooten an Land geht, um dort die Geheimnisse von Flechten und Moosen zu studieren. Röbi Koller ist auch Vereinsmitglied: Er singt in einem Chor. Röbi Koller ist karitativ tätig, und er setzt seine Prominenz ein als Markenbotschafter einer karitativen Organisation, wo er medienwirksam Projekte im Ausland besucht.

Röbi Koller ist der Mann, mit dem wir gerne am Feierabend ein Bierchen trinken würden. Röbi Koller ist der ideale Schwiegersohn – bzw. in Anbetracht seines Alters (er hat sich die vorliegende Autobiografie zu seinem 60. Geburtstag geschenkt), wohl eher Schwiegervater. Schweizer gelten als diskret, und so ist auch Röbi Koller diskret. Wir erfahren wenig, das wir nicht schon gewusst hätten. Über seine (gescheiterten) Ehen schweigt er sich ebenso aus, wie sich seine Grossmutter über die Hochzeitsnacht ausgeschwiegen hat: “Darüber spricht man nicht!”Umwege, wie es der Titel suggeriert, sind kaum auszumachen. Sicher, Röbi Koller hat ein Studium der Literaturwissenschaften abgebrochen und ist zuerst Radio-, später Fernsehmoderator geworden. Solche gebrochenen Bildungswege sind aber heutzutage so normal, dass Röbi Koller auch damit nicht auffällt. Und wenn wir so seine Freizeitbeschäftungen Revue passieren lassen, sehen wir, dass er zumindest darin jener Gymnasiallehrer geblieben ist, der er gegen aussen nie geworden ist.

Röbi Koller ist so sympathisch, dass wir ihm sogar verzeihen, dass dieses Buch eigentlich gar keine Autobiografie hätte werden sollen. Röbi Koller hat nämlich extra im Vorfeld des Romans nochmals eine Prüfung als Taxifahrer gemacht und wollte eine Art Erfahrungsbericht verfassen. Dummerweise hat er nichts erlebt. Was geblieben ist, sind ein paar Kurz-Interviews mit ‘Kollegen’ in aller Welt, die immer mal wieder eingestreut sind und die Autobiografie jetzt sozusagen interpunktieren. Sie passen nicht zum Thema, aber das verzeiht man Röbi Koller ohne weiteres.

Wir erfahren also nichts Neues in diesem Buch. Aber dennoch werden wir Röbi Koller nach der Lektüre noch mehr lieben als vorher.


Röbi Koller: Umwege. Von Höhenflügen, Abstechern und Sackgassen. Gockhausen: Wörterseh 2017. Besten Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

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