Fürst Pückler hat nicht nur das gleichnamige Eis erfunden. Er war vor allem ein grosser Reisender vor dem Herrn. Seine Bücher über eben diese Reisen veröffentlichte er unter dem Pseudonym Semilasso oder auch Der Verstorbene. Es waren denn auch diese Bücher, die ihn weiteren Kreisen bekannt machten. Sie sind bis heute stilbildend und richtungsweisend für die Gattung der Reiseberichte.
Fürst Pückler hat nicht nur das gleichnamige Eis erfunden. Er war auch berühmt für sein extravagantes Auftreten, seine extravagante Kleidung. Als seltsam gekleideten Dandy, der im Ochsenkarren reist, karikiert ihn denn auch Karl Leberecht Immermann in seinem Roman Münchhausen.
Fürst Pückler hat nicht nur das gleichnamige Eis erfunden. Er war als Landschaftsgärtner weit über Europa hinaus bekannt und wirkte auch hier stilbildend. Zwei seiner drei von ihm eingerichteten und ehemals ihm gehörenden Parks stellen heute ein UNESCO-Weltkulturerbe dar. Seine theoretischen Schriften zum Gartenbau finden immer noch Beachtung bei den Spezialisten.
Fürst Pückler hat nicht nur das gleichnamige Eis erfunden. Er war auch Romancier. Zugegeben, er hat nur einen einzigen Roman verfasst – nämlich den hier vorliegenden Acht Frühlings- und Sommertage aus dem Leben Mischling’s, der den Untertitel trägt Eine wahre Geschichte mit dem Anstrich einer Novelle. Ich weiss nicht, welche Definition von ‚Novelle‘ Pückler seinem Untertitel hinterlegt hat. Sein Roman ist so Tutti Frutti, wie die Sammlung von Essays, die er unter diesem Titel veröffentlicht hat, und der auch der Roman zugehört.
Zu Beginn des Romans lernen wir einen jungen Mann kennen, der sich Mischling nennt, und der Misanthrop und Zyniker ist, wie es vor ihm nur Schoppe-Leibgeber und dessen Verwandte bei Jean Paul waren. Mit der Aufführung eines Puppenspiels kippt der Roman. (Das Puppen- bzw. Theaterspiel die klassische Reverenz der Romantik an Goethes Wilhelm Meister.) Es werden zwei geheimnisumwitterte junge Frauen eingeführt – wir stehen nun plötzlich in einem Schauerroman in der Nachfolge E. T. A. Hoffmanns oder Ludwig Tiecks. Im Folgenden werden dann – und sogar verblüffend rasch – die Geheimnisse der jungen Damen aufgedeckt: Es folgt eine Liebesgeschichte, die unglückseliger Weise in einer Heirat mündet. Pückler lässt große Teile der Liebesgeschichte in einem Park spielen, der unschwer als der seine zu erkennen ist, und auch das jetzt noch zusätzlich eingeführte Personal stellt nur leicht verschleiert seine Freunde in der Oberlausitz dar: die Poetae minores Leopold Schefer und Willibald Alexis, den Architekten (und Landschaftsgärtner!) Karl Friedrich Schinkel. Mischling, längst als inkognito reisender Herzog enttarnt, wird zum Alter Ego Pücklers. Die missratende Heirat spiegelt eine Affäre Pücklers wider.
Der Roman, mit seinen Inkonsistenzen, seinem Kippen von einem Genre ins nächste, ist ein typisches Beispiel jener epigonalen Literatur, die auch Immermann seinerseits karikiert und der auch Immermann selber zuzurechnen ist. Die beiden, Immermann und Pückler-Muskau, die einander nicht leiden mochten, leiden als Schriftsteller an derselben Krankheit. Amüsant sind die Acht Frühlings- und Sommertage aus dem Leben Mischling’s allemal, vor allem der erste Teil, wo Pückler noch völlig in romantischen Gewässern schwimmt.
Und … ach ja … fast hätte ich’s vergessen: Fürst Pückler hat das gleichnamige Eis nicht erfunden. Dieses geht zurück auf eine Kreation seines Konditors, der ein Früchte-Halbgefrorenes erschuf, das am Eingang zum öffentlich zugänglichen Park angeboten wurde. Der Eintritt in den Park war frei, aber mit dem Verkauf dieser Kreation hoffte Pückler ein wenig seiner Ausgaben wieder herein zu bekommen – war er doch notorisch klamm.
Hermann Ludwig Heinrich Fürst von Pückler-Muskau: Acht Frühlings- und Sommertage aus dem Leben Mischling’s. Eine wahre Geschichte mit dem Anstrich einer Novelle. Herausgegeben von Erica Ruetz. Wädenswil: Nimbus, 2018