Der Anfang ist noch einigermaßen erträglich: Wer noch nie etwas über die Entstehung des Universums, den Urknall oder Supernovae gelesen hat, mag dabei auf seine Kosten kommen. Dann ein paar Sätze zur neolithischen Revolution (rein deskriptiv, auf Probleme durch die Erfindung der Landwirtschaft wird nicht hingewiesen, allenfalls werden dem Leser ein paar farbige Bildchen präsentiert) und im Anschluss ein Kapitel mit dem von Nestle entlehnten Titel „Vom Mythos zum Logos“. Das liest sich wie der Aufsatz eines 11jährigen, der sich den Inhalt aus dem Netz zusammenkopiert: „Später folgt bei den Griechen eine total materialistische Geistesströmung, die ohne jeden Mythos auskommt. Die Atomisten Leukipp und Demokrit sagen, es gibt die unteilbaren Teilchen – atomoi – und das Nichts. Das war’s. Sonst gibt’s nichts.“ Das war’s dann auch zum Atomismus, zwei Absätze weiter wird des Aristoteles‘ Tiefe ausgelotet: „[…] es heißt bei Aristoteles: ‚Die Welt steht uns zur Verfügung.‘ Sie soll in ihrer Gänze von uns zu unserem Vorteil genutzt werden. Der Mensch kann mit der Natur machen, was er will. Und was er wollen soll, ist natürlich das Gute!“ Damit ist auch Aristoteles erledigt, das Buch fährt mit der bahnbrechenden Erkenntnis fort, dass „das [das mit dem Guten] nicht immer klappt, ist auch schnell klar. Deswegen haben die griechischen Gelehrten auf der philosophischen Seite [sic] die Ethik erfunden.“ Usf.
Das ist keine Parodie auf die philosophieschichtlichen Erkenntnisse eines unbedarften Schreiberlings, sondern verbrochen von jemanden, der angeblich auch Naturphilosophie an der Universität unterrichtet. Das wirklich Überraschende an diesem Buch ist die Tatsache, dass dieses unterirdische Niveau bis zum Schluss konsequent durchgehalten wird. Da werden alle möglichen (und unmöglichen) Fachleute zum Thema Anthropozän interviewt (die sich dann in betulichem Ton um die „Schöpfung“ sorgen, Zeitungsartikel wiedergegeben oder semi-humoristische Texte von Kabarettisten (Dietmar Wischmeyer). Dabei wiederholen sich die Fragen und Antworten endlos und da eine beträchtliche Zahl der so Befragten einen christlichen Hintergrund haben (es kommt sogar irgendein evangelischer Bischof zu Wort, der sich sophistisch am Bibelwort „die Erde untertan zu machen“ versucht – und natürlich zum Schluss kommt, dass das alles gar nicht so gemeint gewesen sei – was daran erinnert, dass die zahlreichen, vom lieben Gott in der Bibel geforderten Massenmorde, auch irgendwie – nach christlicher Lesweise – ungewollter Beifang sind).
Selbst wenn das Anliegen einer ökologisch agierenden, nachhaltigen Wirtschaft unterstützenswert erscheinen mag, die Umsetzung in diesem Buch changiert zwischen Lächerlichkeit und Peinlichkeit (die Wikipedia belehrt mich darüber, dass Lesch ein bekennender Protestant ist, was die zahlreichen Sonntagspredigten im Buch erklärt; andererseits bin ich über so viel Einfalt dann doch erstaunt: Für so beschränkt hätte ich ihn nicht gehalten). Dass es das Buch auf die Spiegel-Bestseller-Liste geschafft hat, lässt nur zwei Rückschlüsse zu: Entweder ein hervorragendes Marketingkonzept oder eine sehr viel größere Zahl an unbedarften Lesern als ich ohnehin vermutet hätte. Ein plattes, banales Machwerk, dass eine Plattform bietet für allerlei dümmlich-religiöse Beiträge, die da nach der obligatorischen Technikkritik das Loblied des Bauchgefühls singen und weniger Vernunft fordern, „mit Herz und Gefühl die Zukunft meistern“ wollen. Würde ich so nicht unterschreiben wollen, denn Mangel an Vernunft scheint es in der rezenten politischen Welt ohnehin genug zu geben. Bemerkung am Rande, aber sie scheint mir sehr gut zu diesem Buch zu passen: So wird der Einsatz von Greenpeace für chlorfreies Druckpapier gelobt – und gleichzeitige ist das 500seitige Elaborat durchgehend auf Hochglanzpapier gedruckt. Womit man es im Winter noch nicht mal nutzbringend verfeuern kann.
Harald Lesch, Klaus Klamphausen: Die Menschheit schafft sich ab. Die Erde im Griff des Anthropozän. München: Komplett-Media 2017.
Vom Urknall zum Anthropozän
Gedicht
WELTALL – ERDE – MENSCH
Am Anfang war der Urknall,
um uns herum der Nachhall.
Das Weltall in Expansion
Milliarden Jahre nun schon.
Es sind dabei die Galaxien
einander rasant zu entflieh’n.
Da ist keine Wende in Sicht,
irgendwann geht aus das Licht.
Dunkle Materie ist rätselhaft,
dunkle Energie nicht minder.
Das Wissen ist noch lückenhaft,
man kommt nicht recht dahinter.
Es braucht wohl wieder ein Genie,
gar eine neue Theorie.
Des Universums Architektur –
Was ist der Sinn von allem nur?
Uns’re Galaxie ist eine von Milliarden,
ein Spiralsystem, keine Besonderheit.
Die Erde hatte die besten Karten,
hier fand das Leben Geborgenheit.
Aus toter Materie ging es hervor,
strebte hin zu höchster Komplexität.
Die Evolution wirkt als ein Motor,
der einfach niemals ins Stocken gerät.
Zahllose Arten entsteh’n und vergeh’n,
bevor der Mensch betritt die Szenerie.
Auch dessen Ende ist vorherzuseh’n,
das ist die kosmische Dramaturgie.
Unser Planet ist ein herrlicher Ort,
doch wir bedrängen ihn immerfort.
Was nützt uns Wohlstand und alles Geld,
wenn am Ende kollabiert die Welt?
Man produziert und produziert,
plündert Ressourcen ungeniert.
Plastikflut und Wegwerftrend,
man konsumiert permanent.
Der Mensch, dieses kluge Wesen
kann im Gesicht der Erde lesen.
Er sieht die drohende Gefahr,
spürt die Erwärmung Jahr für Jahr.
Homo sapiens muss aufwachen,
seine Hausaufgaben machen.
Die Jagd nach ewigem Wachstum
bringt letztlich den Planeten um.
Das oberste Gebot der Zeit
muss heißen Nachhaltigkeit.
Statt nur nach Profit zu streben,
im Einklang mit der Natur leben.
Zu viele Buchen und Eichen
mussten schon der Kohle weichen.
Retten wir den herrlichen Wald,
bewahren die Artenvielfalt.
Kämpfen wir für Mutter Erde,
dass sie nicht zur Wüste werde.
Wir alle stehen in der Pflicht,
maßvoll leben ist kein Verzicht.
Teilen und Second Hand der Trend,
Repair vor Neukauf konsequent.
Bei allem etwas Enthaltsamkeit,
nehmen wir uns die Freiheit.
Für die Zukunft des Planeten,
weg mit Panzern und Raketen.
Lasst die weißen Tauben fliegen,
Aggression und Hass besiegen.
Keiner ist des Anderen Knecht,
für alle gilt das Menschenrecht.
Die Leute legen ab den Neid,
die Religionen ihren Streit.
Jeder kann glauben, was er will,
Frieden und Freiheit unser Ziel.
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen