Graham Greene: The Comedians [Die Stunde der Komödianten]

Schon früh zu Beginn des Romans erklärt Graham Greene die Bedeutung des Titels, bzw. er lässt sie von einem seiner Protagonisten, ‚Major‘ Smith, erklären:

I divide the world into two parts – the toffs and the tarts. The toffs can do without the tarts, but the tarts can’t do without the toffs. I’m a tart. […] The toffs have a settled job or a good income. […] The tarts – well, we pick a living here and there – in saloon bars. We keep our ears open and our eyes skinned.

Spieler, Hochstapler, Sykophanten – all dies wären deutsche Synonyme für den etwas speziellen Begriff tart, den Greene seinen Protagonisten da einführen lässt. (So war auch der „Major“, anders als er es mit seinem Titel und in seinen Erzählungen andeutet, keineswegs Mitglieder der kämpfenden Truppen im Zweiten Weltkrieg gewesen. Er war Etappe bzw. gehörte zu jenen Leuten, die von Fall zu Fall eingeflogen wurden, um die Truppen mit ein paar Aufführungen und Liedern vom aktuellen Kriegsgeschehen etwas abzulenken. Es ist die Ironie der Geschichte, dass gerade er in die Kämpfe aufständischer Rebellen verwickelt wird und darin umkommt.)

Dass es verschiedene Spielarten von tarts gibt, zeigt sich daran, dass der Ich-Erzähler Brown selber nur vordergründig ein toff zu sein scheint: Er besitzt zwar tatsächlich ein Hotel in der Hauptstadt von Haïti. Sehr rasch wird dem Leser allerdings klar, dass auch Brown sein bisheriges Leben durch mehr oder weniger große Hochstapeleien gefristet hat.

Das Setting der Figuren ist so unwahrscheinlich, riecht derart nach abgekartetem Spiel(!) des Autors Greene, dass es der Erzähler selber thematisiert: Wie groß wäre die Wahrscheinlichkeit, dass sich auf einem Frachtschiff von den USA nach Haïti drei Passagiere zusammenfinden, die Jones, Brown und Smith heißen – in etwa die allergewöhnlichsten Namen im englischen Sprachraum? Nun, sie treffen sich, und sie alle haben Haïti als Ziel. Smith aus sehr undurchsichtigen Gründen, die auch im Laufe des Romans nie geklärt werden. Brown vordergründig wegen seines Hotels, das er in New York vergebens zu verkaufen versucht hat. Smith und seine Frau schließlich reisen auf einem vegetarischen Ticket. Es ist ihr Traum, in Haïti ein Zentrum des Vegetarismus zu errichten. Trotz dieser etwas überspannten Idee sind sie im Roman die einzigen toffs von Bedeutung, sind sie doch in ihrer Heimatstadt in den USA sehr gut verankert. Smith hat vor Jahren einmal für das Amt des US-Präsidenten kandidiert und sogar ein paar Tausend Stimmen in seiner Heimat erhalten.

Einen Protagonisten habe ich noch nicht erwähnt: das Land Haïti bzw. seinen allmächtigen Regierungschef. Der Roman spielt in der Zeit des Diktators François Duvalier, genannt Papa Doc. Obwohl der im Roman nie persönlich auftritt, ist er doch allgegenwärtig. Das verdankt er vor allem der von ihm aufgestellten und ihm treu ergebenen Miliz, den Tonton Macoute. Diese Leute, die auch vor Anwendung brutaler Gewalt nicht zurückschreckten, de facto keiner Gerichtsbarkeit unterstellt waren, dienten zusammen mit der Tatsache, dass sich der ehemalige Arzt Duvalier auf sehr geschickte Weise des Voodoo-Glaubens der ärmeren schwarzen Bevölkerung bediente, zur Machterhaltung des Diktators. Der Roman spielt zu einer Zeit, als sich Papa Doc bereits auf dem Höhepunkt seiner Macht befand – und das Land Haïti dementsprechend auf dem Tiefpunkt seiner wirtschaftlichen Entwicklung. Die Intellektuellen waren nach Santo Domingo geflohen; die Touristen mieden das Land mittlerweile. (Das ja auch der Grund, warum Brown sein Hotel verkaufen wollte. Und der Grund, warum er keinen Käufer fand.)

Brown hatte neben seinem Hotel noch einen andern Grund, nach Haïti zurück zu kehren. Den gibt er offiziell nicht so gern zu: Er hatte seine Geliebte da gelassen, die Frau eines südamerikanischen Konsuls. Sie ist deutscher Herkunft – und Brown hasst die Deutschen, gegen die er im Zweiten Weltkrieg gekämpft hat. (Sie ist auch für den einzigen gröberen Fehler zuständig, wenn sie Brown vorwirft, ein Berkeleyaner zu sein, der sich die Welt in Gedanken so zimmert, wie sie für ihn zu sein hat und sie nicht so akzeptiert, wie sie ist. Berkeley ist im deutschen Sprachraum zu wenig bekannt, um im Denken einer auch überdurchschnittlich gebildeten Person präsent zu sein. Sie hätte ihn mit Fichte vergleichen müssen. Oder mit der Fichte-Parodie von Jean Paul: Leibgeber. – Dann hätten aber wohl Greenes englische Leser nicht gewusst, wovon sie spricht.)

Der immer leicht zynische Ton, den der Erzähler anschlägt, passt hervorragend zu den sinistren Ereignissen – immerhin verliert Brown im Laufe der Ereignisse nicht nur sein Hotel definitiv; er verliert auch praktisch alle seine Freunde, die dem Terror des Duvalier-Regimes zum Opfer fallen. Dennoch hat man bis zum Schluss den Eindruck, dass Brown nichts so ganz an sich heranlässt, und man muss seiner Geliebten Recht geben. (Auch die wird er übrigens verlieren – wenn auch ausnahmsweise nicht an das Regime von Papa Doc.)

Empfehlenswert in seiner scheinbaren Leichtigkeit und Unbekümmertheit, die aber die eine oder andere Falltür in der Geschichte verstecken.

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