Barack Obama: Ein verheißenes Land

Auf etwa 500 Seiten – so Obama im Vorwort – wollte er seine politische Karriere beschreiben, beginnend Mitte der 90er mit seiner Kandidatur für den Senat in Illiinois. Geworden sind es knapp 1000 Seiten und ein „erster Teil“, der 2011 mit dem Lybienkrieg und der Tötung von Osama bin Ladens endet.

Trotz dieser recht umfassenden Darstellung erfährt man nicht wirklich viel Neues (und demjenigen, der – so wie ich – bereits Michelle Obamas Autobiographie gelesen hat, wird umso mehr Bekanntes wiederfinden). Obama war im Sozialbereich (als „Community Organizer“) tätig, als sich zufällig die Möglichkeit bot, in Illinois zu kandidieren (der ursprünglich vorgesehene Bewerber hatte mit einer 16jährigen Wahlhelferin geschlafen, was im Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Konsum an harter Pornographie auf ewig für alle politischen Ämter disqualifiziert). Ab diesem Zeitpunkt ging es mit der Karriere (von einer missglückten Kandidatur in den Vorwahlen zum Kongress abgesehen) steil bergauf, Obama brillierte als Redner, hatte sehr viel Gespür für die Stimmung in der Bevölkerung und verkörperte ein neues Maß an Ehrlichkeit, das nach der Bush-jr.-Präsidentschaft wohltuend auf das us-amerikanische Volk wirkte. Er schien sehr viel weiter entfernt vom Establishment als Hillary Clinton (die 2008 die Hauptkonkurrentin bei den Vorwahlen der Demokraten war), wirkte unverbraucht und strahlte ein Charisma aus, das selbst seine Hautfarbe kompensierte*.

Obama hatte Erfolg und nicht nur in den USA: Sondern auf der ganzen Welt herrschte eine Aufbruchstimmung, endlich Klimaschutz, Ächtung von Kriegen (der Friedensnobelpreis war eine Vorleistung des Komitees), Abschaffung der Atomwaffen, Ende des Rassismus und noch vieles mehr. Über viele Kapitel hinweg macht das Buch den Eindruck einer umfassenden Apologie, warum all das nicht oder nur mit Einschränkungen verwirklicht werden konnte. Denn trotz der größten demokratischen Mehrheit im Senat seit Beginn des 20. Jahrhunderts, war Obama immer wieder auf die Stimmen der Republikaner angewiesen (um die als Filibuster bezeichnete Verzögerungstaktik zu vermeiden) und er hatte mit Widerstand aus der eigenen Partei zu kämpfen, weil jeder gewählte Kongressabgeordnete und jeder Senator sich verpflichtet fühlte, für seinen Wahlkreis oder Bundesstaat noch einen Vorteil herauszuschlagen. Das Ergebnis waren großteils müde Kompromissvarianten (bei Obama-Care, Umweltschutzgesetzen), auch deshalb, weil die Republikaner von Beginn an jede Zusammenarbeit mit „dem Schwarzen“ im Weißen Haus verweigerten und sich nur auf die Verhinderung seiner Wiederwahl konzentrierten („wenn es den Menschen schlecht geht, ist das gut für uns“ lässt Obama einen Republikaner vernehmen, eine Haltung, die derzeit wieder im Schwange ist). Ob nicht doch mehr möglich gewesen wäre? Dafür aber hätte Obama einige heilige Kühe schlachten müssen (das Mehrheitswahlsystem, die widersinnige Zusammensetzung des Senats, das Gerrymandering, den Versuch, die Erschwernisse bei der Teilnahme an Wahlen für verfassungswidrig erklären zu lassen etc.), wozu er nicht bereit war und wozu er auch niemals Mehrheiten gefunden hätte (ein weiteres Hauptproblem des us-amerikanischen Systems ist die offene Käuflichkeit von Kandidaten, weil es für Wahlkampfkosten keine Beschränkungen gibt und daher Milliardäre ihre Leute in den Senat und Kongress entsenden können: Wie vieles andere hat diese früher eher versteckte Manipulation der Vorwahlen Trump zur Regel erhoben). Eine Plutokratie in eine Demokratie umzuwandeln ist wahrlich kein leichtes Unterfangen, vor allem nicht in einem Land, in dem Erfolgreiche ihres (meist finanziellen) Erfolgs wegen prinzipiell ein hohes Ansehen genießen – unabhängig davon, wie all das zustande gekommen ist.

Gut gelungen sind jene Kapitel, in denen Obama die Fährnisse der us-amerikanischen Außenpolitik beschreibt. Man ist sich bewusst, mit Diktatoren zusammenzuarbeiten (die nur deshalb nicht als solche benannt bzw. bekämpft werden, weil sie „unsere“ Diktatoren sind) und ist daher Regimen verpflichtet, die nichts weniger verdienen würden denn Unterstützung. Im Nahen Osten moralisch konsequent zu sein ist aufgrund der Verstrickungen kaum noch möglich: Ägypten, Saudi-Arabien oder Bahrein verfahren mit Oppositionellen keineswegs menschlicher als der Iran oder Syrien; aber diese Bündnisse aufzugeben bedeutet, den Einfluss in der ganzen Region zu verlieren. Und damit verbunden Erdöllieferungen und lukrative Waffengeschäfte. Dieses Dilemma heute lösen zu wollen ist fast unmöglich und in der Vergangenheit hat man sich um ethische Grundsätze nicht mehr gekümmert als die Gegenseite (der Iran ist hiefür ein gutes Beispiel). Wie schwierig sich solche Entscheidungen gestalten können, zeigen die Überlegungen zum militärischen Eingreifen in Lybien: Gaddafis Truppen befinden sich vor Bengasi und der Diktator kündigt den bevorstehenden Massenmord in markigen Worten an. Zurück blieb ein „fallen state“ mit Warlords (und ebenfalls unzähligen Toten) – aber hätte man das bevorstehende Gemetzel zulassen sollen? Hier gibt es keine „guten“ Entscheidungen (auch deshalb, weil in der Vergangenheit sehr viel schlechte getroffen wurden).

Obama war viel zu sehr im us-amerikanischen Denken verwurzelt, um tatsächlich Alternativen bieten zu können (und – wie erwähnt – er wäre gar nicht in der Lage gewesen sie durchzusetzen). Im Grunde endet man bei diesen Überlegungen immer im Grundsätzlichen: Man spricht von der idealen Regierungsform, die den idealen Staatsbürger impliziert. Und gerade diesen um Wissen bemühten, verständigen und engagierten Bürger, der Argumenten zugängig ist, gibt es nicht. Ich halte unsere liberale Demokratie noch immer für die relativ beste Lösung, aber schon bei der in solchen Ländern bestehenden Wirtschaftsform (die auf Konsum und Egoismus basiert), habe ich ein wenig Bauchweh (wobei auch Egoismus eine Eigenschaft ist, die sehr vieles zum Fortschritt, selbst zum Sozialstaat beigetragen hat und für den Einzelnen ein wichtiges Motiv zum Handeln darstellt). Aber vielleicht sollte es auch Kurse für Selbstironie geben, in denen man so richtig und herzhaft über sich selbst zu lachen lernt (denn das ist eine Eigenschaft, die Diktatoren aller Couleur mangelt). Und nicht nur über sich selbst, auch über sein Land, über den Patriotismus im allgemeinen und besonderen, über alle Dinge, die man so schrecklich wichtig nimmt. Andererseits: Es gibt wohl auch diese wichtigen Dinge (wie Menschenrechte, Umweltschutz und altruistisches Verhalten) und schon befindet man sich wieder in der Auseinandersetzung darüber, was denn warum so wichtig ist und genommen werden muss.

Ein angenehm und leicht zu lesendes Buch, von dem man aber keine großartigen neuen Erkenntnisse erwarten darf. Trotzdem werde ich wohl auch den zweiten Teil lesen.


*) Ich weiß im übrigen nicht, ob mir bezüglich sprachlicher Korrektheit eine Neuerung entgangen ist: In diesem Buch wird „schwarz“, wenn es für die Hautfarbe gebraucht wird, prinzipiell groß geschrieben. Das wirkt manchmal missverständlich, dann wieder kurios, wenn etwa auf Seite 191 von „Collegestudenten, die zu gleichen Teilen weiß und Schwarz [waren]“, die Rede ist. – Nun habe ich doch eine Begründung im Netz gefunden: „Mit „Schwarz“ ist natürlich nicht wirklich die Farbe Schwarz gemeint – wie etwa in einem Farbkasten. Deshalb wird Schwarz in diesem Fall auch mit großem „S“ geschrieben. Also zum Beispiel „ein Schwarzer Mensch.“ So soll deutlich gezeigt werden, dass es sich nicht wirklich um die Farbe handelt.“ – Ich will jetzt nicht dieses unsägliche Gender-Fass aufmachen: Aber die Begründung scheint mir dürftig. Dann müsste überall dort, wo ein Adjektiv nicht in seiner ursprünglichen Bedeutung (die oft schwer zu eruieren ist) gebraucht wird, selbiges groß geschrieben werden. Das ist ein Zweigleisiges Schwert. (Und im übrigen müsste man mit dieser Begründung „weiß“ selbstredend ebenfalls groß schreiben.)


Barack Obama: Ein verheißenes Land. München: Penguin 2020.

1 Reply to “Barack Obama: Ein verheißenes Land”

  1. Obama wurde verfrüht heiliggesprochen. Dass er so wenig durchsetzen konnte, lag wohl vor allem an seiner Führungsschwäche. Wie jemand schon zu Anfang der ersten Amtszeit anmerkte: „Er verhandelt mit dem Kongress eher wie ein Premierminister, anstatt sie die ganze Macht der Präsidentschaft fühlen zu lassen.“ Nicht einmal die vor seiner ersten Wahl vollmundig versprochene alsbaldige Schließung des Guantanamo-Lagers hat je stattgefunden. Stattdessen profilierte er sich, ganz friedensnobelpreismäßig, lieber als der größte Drohnenkrieger aller Zeiten, Kollateralschaden inbegriffen. Aber die Hinrichtung des Osama ist ihm wohl nicht als persönliches Verdienst anzurechnen, auch wenn er per Liveübertragung dabei zuschauen durfte. Trump hatte dann immerhin Unterhaltungswert, ganz im Gegensatz zu Biden. Der ist anscheinend genauso langweilig wie die meisten Machthaber in Europa, wo der bisher letzte amüsante Berlusconi war.

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