James Boswell: Tagebuch einer Reise nach den Hebriden mit Dr. Johnson

Ausschnitt aus dem Buchcover: Augenpartie eines Porträts von Dr. Samuel Johnson, gemalt von Sir Joshua Reynolds.

Rund zehn Jahre lang war zwischen Boswell und Dr. Johnson immer wieder die Rede davon, dass der Engländer seinen schottischen Freund in dessen Heimat besuchen solle. Der Gedanke stammte ursprünglich von Boswell, aber Johnson, der Schottland und dessen Einheimischen nicht unbedingt wohlgesonnen war, zögerte zunächst. Als er sich dann doch überreden / überzeugen ließ, dauerte es noch ein paar Jahre, bis sie wirklich einen Termin fanden, an dem sie beide Zeit hatten. Am 14. August 1773 kam Johnson in Edinburgh an und benachrichtigte seinen Freund.

Nebst einem Besuch bei Boswells Familie und bei seinem Vater stand vor allem eine Reise zu den Hebriden auf dem Programm der beiden. (Wenn ich das richtig sehe, haben sie dort ‚nur‘ ein paar Inseln der inneren Hebriden besucht.) Boswells Tagebuch ist fragmentarisch, aber es lassen sich doch ein paar interessante Dinge feststellen.

Whisky-Kenner:innen fallen natürlich zuerst ein paar Namen ins Auge: die Insel Skye wird besucht, wo denn auch zeitweise ein Gutsherr namens Talisker zu ihnen stößt. Allerdings habe ich nur ein einziges Mal gefunden, dass auf der Reise tatsächlich Whisky getrunken wurde, meist schreibt Boswell nur von Korn. Dem allerdings (und dem zu jener Zeit allgegenwärtigen britischen Punsch) spricht er großzügig zu. Von Johnson, der zu jener Zeit gerade keinen Alkohol trank, wird nur ein einziges Mal ein einziger Schluck erwähnt, den er zu sich nimmt, um sich aufzuwärmen.

Denn die Reise war vom Wetter nicht gerade begünstigt. Sturmwinde und heftige Regenschauer belästigten die Reisenden nicht nur an Land. Sie hinderten sie oft auch tagelang daran, von einer Insel zur nächsten oder ans Festland zu segeln oder zu rudern (sich rudern zu lassen, selbstverständlich). Tatsächlich erfuhren Boswell und Johnson auf dem Rückweg nach Edinburgh, dass sie die Reise rund zwei Monate zu spät angetreten hatten. Im Nordwesten Schottland begann Mitte August im Grunde genommen bereits der Herbst, und schlechtes Wetter war an der Tagesordnung. Der Londoner Johnson konnte das nicht wissen; der Schotte Boswell hatte sich ganz einfach nicht informiert. Er selber stammte ja aus den Lowlands und wusste über das schottische Hochland so wenig wie Johnson. Das zeigte sich auch daran, dass er sich – einmal dort – mit der einheimischen Landbevölkerung nicht verständigen konnte. Damals sprach diese nämlich noch ausschließlich Gälisch. Die Gutsherren und ihre Verwalter, also alle gebildeteren Hochländer, sprachen beides, Gälisch wie Englisch, da sich sich ja sowohl mit ihren Bauern verständigen mussten wie mit der englischsprachigen Verwaltung in London und Edinburgh.

Das schlechte Wetter auf der Reise brachte sie tatsächlich einmal in Lebensgefahr. Auf dem Weg zurück von Skye aufs Festland gerieten sie auf dem Meer in ein Unwetter. Es fehlte nicht viel, und ihr Schiff wäre gekentert und mit Mann und Maus untergegangen. Das war auch der Moment, in dem Boswell ein hochheiliges Gelübde ablegte, seinen Lebenswandel bessern zu wollen – ein Gelübde, das er später auf dem Festland in einer Kirche auch bekräftigte. Bezeichnend für seinen Charakter ist es, dass er – nur wenige Tage später, zu Besuch bei einem Adligen in den Lowlands und damit ‚zurück in der Zivilisation‘ – beim Anblick der adrett ‚uniformierten‘ und auch sonst offenbar hübschen Kammerzofen sofort an eine Liebelei dachte. Dass er, wie er selber zugibt, zu der Zeit auch nachlässig geworden war in seinen täglichen Notizen, verstärkt nur den Eindruck eines sehr volatilen Charakters. (Er wünschte ja nichts sehnlicher, als in der Großstadt London zu leben. Zu seinen Lebzeiten konnte ihn Johnson, der eine hohe Meinung von Pflicht und Pflichterfüllung hatte, davon abhalten. Nach dessen Tod und dem seiner Frau, konnte Boswell nichts mehr in Schottland halten. Es kam, wie es kommen musste: Das Trinken, das Glücksspiel und die Frauen ruinierten ihn sehr rasch – physisch wie finanziell.)

Um noch einmal auf die Reise zurück zu kommen: Interessant ist auch beider Einstellung zur Landschaft, vor allem die Johnsons. Sie kannten zwar beide Edmund Burke persönlich, aber doch wohl nur als den Politiker und Redner, der er damals schon war. Den Ästhetiker, bzw. dessen Jugendschrift Vom Erhabenen und Schönen, war ihnen offenbar nicht bekannt . Auf jeden Fall sind sie eindeutig nicht in der Lage, die fürchterliche Schönheit (eben: die Erhabenheit bei Burke) einer kargen Landschaft zu erkennen. Wo immer sie so etwas sehen, ist ihr einziger Gedanke, dass man da ein Landhaus bauen könnte / müsste und einen Garten errichten und bepflanzen. (Was, nebenbei, auch zeigt, wie künstlich der als so natürlich gepriesene ‚englische Garten‘ denn im Grunde genommen doch ist.)

Summa summarum: Dieser in Tagebuch-Form geführte Reisebericht ist heute nicht bei jenen Stellen von Interesse, die Boswell selber für interessant hielt, sondern bei jenen nebenbei berichteten Details, die Boswell fallen ließ – wohl ohne sich dessen bewusst zu sein. Bei diesen Stellen aber stellt der Text eine faszinierende Lektüre dar.

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