John Buchan: The Island of Sheep [Das Tablett aus Jade]

Auf grünem Hintergrund eine schwarze Zeichnung mit gelben Schattierungen. Ein Automobil der 1930er fährt auf uns zu. Im von mir gewählten Ausschnitt aus dem Bild des Buchdeckels sieht man die beiden Vorderräder mit den altmodischen Schutzblechen, einen riesigen und fast rechteckigen altmodischen Kühlergrill, dazwischen jeweils einen riesigen runden und gelb leuchtenden Scheinwerfer. - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Zwölf Jahre liegen zwischen The Three Hostages (1924), dem vierten, und The Island of Sheep (1936), dem fünften und letzten Roman mit Richard Hannay als Protagonisten und Ich-Erzähler, den John Buchan geschrieben hat. (Ein hin und wieder – zum Beispiel auch von der deutschsprachigen Wikipedia – als fünfter Roman aufgeführter Titel, The Courts of the Morning, ist hingegen kein ‚richtiger Hannay’. Buchan kannte mindestens drei Helden, die er in seinen ‚shockers‘ (wie er sie nannte) als Helden auftreten ließ. Diese seine Helden teilten sich alle das gleiche Universum, und so konnte es schon einmal zu kürzeren oder längeren gegenseitigen Gastauftritten kommen. Dieser vermeintliche fünfte Roman ist so einer – Richard Hannay ‚schreibt‘ das erste, einführende Kapitel zu einem Roman, in dem dann ein anderer von Buchans Helden übernimmt und verschwindet selber komplett aus der Geschichte.)

Insider, habe ich verstanden, berichteten, dass Buchan plante, den General a.D. Richard Hannay wieder zu reaktivieren und gegen die Nazis antreten zu lassen. Sein unerwarteter Tod an einem Schlaganfall im Jahr 1940 kam aber dazwischen.

Vielleicht war es aber auch besser so. Der auf diese Weise zum letzten -Hannay-Roman gewordene The Island of Sheep ist nämlich keineswegs der beste der Pentalogie. Buchan greift zwei Mal tief in die Vergangenheit seiner Protagonisten: Zunächst berichtet Hannay darüber, wie er vor Jahren im ‚Land von Cecil Rhodes‘ auf einen halb verrückten norländischen (sic!) Forscher und Abenteurer namens Haraldsen trifft. Dieser schwelgt in nordischen Mythologien und bringt Hannay sogar dazu, ihm einen Eid zu leisten, ihm und seinen Nachkommen Hilfe zu leisten, wann immer es nötig sein werde. Zusammen besiegen sie denn auch ein paar Bösewichte, verlieren sich dann aber aus den Augen. Von seinem Freund Sandy Arbuthnot erfährt Hannay nun, Jahre später, dass Haraldsen in Asien verstorben ist. Es zeigt sich aber, dass dessen Sohn noch lebt und tatsächlich Hannays Hilfe braucht, weil der Sohn des Haupt-Bösewichts (den Hannay und seine Freunde damals in Afrika zu töten vermochten) nun sozusagen seinerseits ebenfalls die Familienfeindschaft geerbt hat und den Sohn Haraldsen verfolgt. Nicht genug damit, schließt sich dieser Bande auch noch ein weiterer Bösewicht an, einer von dessen Ende eigentlich schon in einem anderen Buch die Rede war, und der im Grunde genommen geschworener Gegner nicht Hannays oder Haraldsens war, sondern Arbuthnots. Offenbar wollte Buchan auch dessen Teilnahme an diesem Privatkrieg einen triftigen Grund verleihen.

Nicht weniger verwickelt sind die Handlungsorte. Das ganze spielt sich in drei Akten ab, zunächst auf dem englischen Landsitz Hannays, dann auf dem schottischen Sandy Arbuthnots und zum Schluss auf den Schafsinseln – den Färöern. Dort nämlich hat Haraldsen seinen Landsitz. Und war’s schon vorher dank Haraldsen senior mythologisch, wird es zum Schluss ganz und gar so: Der Sohn dreht durch und tötet in einem Anfall von Atavismus den Haupt-Bösewicht, während er nordische Mythologien rezitiert. Gleichzeitig taucht die Mannschaft eines vorbeifahrenden Walfängers auf, ebenfalls vom Wetter halb gaga, und geht beserker-artig gegen die restlichen Bösewichte vor.

Das Ganze könnte man demnach als die Geschichte der Söhne bezeichnen. Oder gar die der Enkel, denn eine nicht unwichtige Rolle – vor allem fürs Happy Ending – spielen die beiden Teenager John Peter, der Sohn Hannays, und Anna, Tochter und Enkelin der Haraldsens. Sie sind es, die zufällig auf die Walfänger stoßen und sie zum Landsitz der Haraldsen bringen.

Nicht jeder Roman, pflege ich zu sagen, mit Kinder oder Jugendlichen in Hauptrollen ist deswegen ein Kinder- oder Jugendroman. Wenn ich hier aber noch dazu nehme, dass sich zum Schluss die übrig gebliebenen Mitglieder der beiden verfeindeten Gruppen versöhnen, weil sich der im (den deutschen Titel abgebenden) Jade-Tablett vermeintlich versteckte Schatz nicht als ein irdischer sondern als ein himmlischer entpuppt (es sind sämtliche Namen Gottes aufgeführt, aber kein Schatzplan), so bin ich fast versucht, von einem Jugendabenteuerroman zu sprechen …

Wer den Hannay für Erwachsene kennen lernen möchte, tut aber besser daran, entweder den allerersten der Reihe, The Thirty-Nine Steps zu lesen (und dabei Hitchcock zu vergessen!) oder dann den vierten, The Three Hostages, der zügig und halbwegs logisch eine spannende Geschichte mit (auch literarischen) Twists zu erzählen vermag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert