Muss man Shakespeares historische Dramen als Nicht-Engländer, als Nicht-Brite kennen? Ich wage zu behaupten: Nein. Die York-Tetralogie, die Lancaster-Tetralogie – sie mögen hierzulande allenfalls den Shakespeare-Philologen interessieren. In Grossbritannien mag die Interessenlage eine andere sein. Wen interessieren hierzulande die Intrigen am englischen Hof des 14. und 15. Jahrhunderts? So wundert es wenig, dass diese Stücke im deutschen Sprachraum kaum noch aufgeführt werden.
Eine Ausnahme muss ich allerdings machen: Henry IV. / Heinrich IV. Und diese Ausnahmestellung verdankt das zweiteilig angelegte Stück einer einzigen Figur: Sir John Falstaff. Raufbold, Prahlhans, Ritter mit Neigung zum Raubrittertum – dabei im Grunde genommen gutmütig und ein Angsthase. Auch dieser Zweiteiler wird zwar wenig aufgeführt, und wenn, dass mit einer aufs Wesentliche reduzierten Handlung, und in einem Teil. Diese wesentliche Handlung ist aber die Geschichte des Verhältnisses zwischen Sir John Falstaff und Prinz Heinrich („Harry“, nennt ihn Falstaff), dem späteren Henry V. Ist der Prinz zu Beginn ein mindestens so grosser Nichtsnutz wie Falstaff, so steht er doch später im Bürgerkrieg seinen Mann, im Gegensatz zu Falstaff, dessen grossen Siege halt eben doch nur Maulheldentum darstellen. Wie gross aber die Enttäuschung des dicken Ritters, als ihn sein Harry nach der Krönung zum König Heinrich V. nicht mehr kennen will, ihn gar für seinen Lebenswandel einsperren lässt. Diese Spannung zwischen dem ewigen Kindskopf Falstaff und dem zum erwachsenen, berechnenden Politiker gewordenen Heinrich macht das Drama auch für den interessant, der der englischen Geschichte ansonsten kein grösseres Interesse abgewinnen kann. Also z.B. für mich.
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