Isaac Asimov: Second Foundation [Alle Wege führen nach Trantor]

Was sich spätestens im zweiten Band der Foundation-Trilogie ankündigte, steht im dritten nun prominent im Vordergrund: Die Geschichte funktioniert nur, weil Asimov gewisse unhinterfragte und unhinterfragbare Grundsätze aufgestellt hat, nach denen sich die Geschichte zu richten hat – Axiome sozusagen.

Die wichtigsten davon scheinen sogar ausserhalb der Geschichte als solcher zu stehen, weil weder Autor noch dessen Figuren sie auch nur ansatzweise problematisieren:

  1. Es gibt nur zwei Zustände: Barbarei oder Zivilisation.
  2. Barbarei ist von Übel.
  3. Zivilisation gibt es nur unter einem zentralistisch regierten Einheitsstaat.
  4. Wenn dieser zerfällt, ist die darauf folgende Periode der Barbarei so kurz zu halten, wie möglich.

Dieser Einheitsstaat scheint in zyklischen Perioden zu zerfallen; aber da bin ich nicht zu 100% sicher und möchte das deshalb nicht als Axiom formulieren. Diese vier sozusagen exo-narrativen Axiome muss der Leser akzeptieren, sonst ergibt die Trilogie keinen Sinn für ihn. Warum ein System von konkurrierenden Staaten weniger Zivilisation bergen soll, als ein verknöcherter Gross-Staat, der seine Energie in seiner eigenen Verwaltung erschöpfen wird, ist anhand der Geschichte nicht einzusehen. (Asimov, der ja durch Gibbons The History of the Decline and Fall of the Roman Empire angeregt worden sein soll, hätte sich m.M.n. diese Frage stellen müssen. Er tut es nicht.) Spätestens im dritten Buch werden dann die aus den Axiomen fliessenden Korrelare relevant:

  1. Der Seldon-Plan erlaubt es, die Periode der Barbarei so kurz zu halten wie möglich.
  2. Nur der Seldon-Plan erlaubt das.
  3. Ergo: Abweichungen vom Plan sind unverzüglich zu korrigieren.

Genau diese drei Korrelare werden im dritten Band nun angewendet. Dass das Maultier am Ende des zweiten denkt, es hätte den Seldon-Plan quasi vorzeitig und bedeutend eleganter zu Ende geführt, ist selbstverständlich ein Irrtum. Statt in aller Ruhe und Gemütlichkeit den Rest der Galaxis zu erobern, fokussiert das Maultier auf den „Erzfeind“ Zweite Foundation. Und so kehren wir zurück zu den Erzählmustern des ersten Bandes: Wir haben die physisch übermächtige Bedrohung des Plans und seine zwar physisch-militärisch machtlosen aber bedeutend gerisseren Verteidiger. Letztere sind ihrerseits daran interessiert, das Maultier auszuschalten, weil es den Seldon-Plan (zer-)stört. Es kommt keinem Vertreter der Second Foundation auch nur einen Moment lang in den Sinn, auf den Errungenschaften des Maultiers aufbauen zu wollen. Immerhin hat dieser Mutant schon einen schönen Teil der Galaxis wieder unter einer gemeinsamen Herrschaft vereinigt. Vielleicht liesse sich so die von Seldon errechnete Periode von 1’000 Jahren Barbarei ja noch mehr verkürzen? – Es wird nicht einmal in Betracht gezogen.

Gut, das Maultier wird ausgeschaltet. (Wir haben auch im dritten Band übrigens wieder, wie im zweiten, zwei von einander de facto unabhängige Erzählungen vor uns.) Nun kommen wir quasi zum Bruderkrieg. Die erste Foundation – in ihrer Ecke der Galaxis nach dem Tod des Maultiers wieder fest im Sattel – fühlt sich von der zweiten bevormundet, gegängelt. Durchaus nachvollziehbar, würde ich behaupten, wenn auch sehr undankbar, weil die zweite Foundation gerade noch der ersten die Haut gerettet hat. Also unternimmt die erste Foundation alles, um die Leute der zweiten ausfindig zu machen und eliminieren zu können. Dass es ihnen scheinbar gelingt, zeigt die Überlegenheit der zweiten, die die erste durch die ganze Erzählung hindurch am Gängelband geführt hat.

Es ist, wie wenn der Vater eines pubertierenden Sohnes dessen Aufbegehren so zu lenken weiss, dass einerseits der Sohn das Gefühl eines Sieges davonträgt, was sein Ego aufpolieren und für seine Zukunft gut sein wird, dass andererseits aber dieser Sieg letzten Endes die Pläne des Vaters – nämlich dass der Sohn eines Tages die Firma übernehme – nur stärkt.

Es ist sicher kein böser Vater, der hier die Geschicke der Menschen lenkt, und sicher kein metaphysisch-übermächtiger. Aber das Gros der Menschen wird als unmündige Kinder hingestellt. Ein gutmütiger, wohlwollender Paternalismus. Ein Menschenbild, wie es in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts gerade noch so eben existieren konnte. Heute wirkt das verstaubt. Das ist mir bei meiner ersten Lektüre – vor Jahrzehnten – nicht bewusst geworden. Nun stört es mich doch sehr.

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