Nach nunmehr dem dritten Buch aus der edition erdmann im Marix-Verlag muss ich definitiv jeden vor diesen Büchern warnen, der von neu herausgegebener alter Reiseliteratur eine minimale editorische Sorgfalt erwartet. Bougainvilles Bericht enthält ein schludriges Vorwort mit Falschinformationen; Wallace‘ Reise- und Forschungsbericht bibliografiert mangelhaft und ist unsorgfältig mit einer OCR-Engine eingelesen, aber nicht von Menschenauge Korrektur gelesen worden. Auch dieser Band ‚Sven Hedin‘ kommt seiner Informations- und Sorgfaltspflicht gegenüber dem Leser / Konsumenten nur ungenügend nach. Wenn es heisst:
Umso verpflichtender ist es für die Edition Erdmann, gemäß ihren Prinzipien diesen Meilenstein der Reiseliteratur möglichst authentisch zu präsentieren. Deshalb bietet ihn die vorliegende Version in demselben Wortlaut, in dem er von 1910 an einbändig beziehungsweise von 1919 an zweibändig bei F. A. Brockhaus gedruckt worden war – das heißt: in einem Gepräge, das mit den Zielen Sven Hedins nach des Verfassers eigenem Bekunden besser übereinstimmt als das Original. [S. 309. – Der letzte Satz bezieht sich auf in der deutschen Version vorgenommene Kürzungen v.a. geologischer Auslassungen, die sich im schwedischen Original noch fanden. Hedins Ziel bei seinen Büchern war tatsächlich eine hohe Publikumsaufmerksamkeit – er finanzierte sich und seine Reisen durch den Verkauf seiner Reiseberichte. – P.H.]
so klingt das hochtrabend und vielversprechend, ist aber nichtssagend, weil keinem Leser nun sofort klar sein wird, was er tatsächlich in Händen hält. Das merkt er erst nach der Lektüre des Textes. Dieses Buch unterschlägt ganz einfach die zweite Hälfte des Reiseberichts: Durch Asiens Wüsten ist offenbar nach der zweibändigen Ausgabe gedruckt worden – und der zweite Band fehlt! Der Bericht bricht mitten in den Vorbereitungen zu einer weiteren Expedition ganz einfach ab. Man kann editorische Authentizität auch so interpretieren…
Ansonsten wäre der Text gar nicht uninteressant. Hedin war der erste Europäer, der die Wüsten, Täler und Seen jenes Teils des Dachs der Welt bereiste, das die südwestliche Grenze des heutigen China darstellt. Die Region war schon zu jener Zeit umstritten, indigende Völker stritten sich mit Russen und Chinesen um die Herrschaft; und Hedins Expedition war nicht ungefährlich.
Die grösste Gefahr allerdings brachte er selber über sich: Indem er leichtfertig einem seiner angeheuerten Führer vertraute, wagte er sich mit zu wenig Wasser an die Durchquerung der Wüste. Seine Begleiter, seine Kamele und sein Hund verdursteten; nur er und ein Diener überlebten. Die Schilderung, wie Hedin mehr als halbverdurstet einen Bach findet, zuerst sich selber satt trinkt, und dann überlegt, wie er dem zurückgebliebenen Diener Wasser bringen könne, sich schliesslich auf seine schwedischen Patentstiefel besinnt, diese füllt, mit den Ösen an einen Spatenstiel hängt und so zu seinem Diener trägt, hat zu Hedins Zeiten Kult-Charakter erreicht.
Ansonsten lässt sich zum Bericht dieses schwedischen Abenteurers wenig sagen – es ist ja auch nur die Hälfte vorhanden. Hedin scheint vor nichts zurückzuschrecken und verfügte offenbar auch über ein grosses Talent für Sprachen, was ihm erlaubte, rasch mit den indigenen Völkern Kontakt aufzunehmen. Für heutige Lesegewohnheiten weist das Buch allerdings immer noch viel zu viele Schilderungen von geologischen und geografischen Einzelheiten auf. Keine Leseempfehlung also – vor allem natürlich auf Grund der Tatsache, dass wir in der Ausgabe der edition erdmann nur einen halben Bericht vor uns haben.