Wir konnten es dann nicht lassen und haben unser Whale-Watching-Glück noch ein viertes Mal versucht. Tatsächlich war diese vierte Tour in Hinsicht gesichteter Tiere und Arten die erfolgreichste unserer Ferien. Selbst drei Wale sind uns untergekommen. (Vielleicht waren es aber auch nur zwei, und einer zeigte sich doppelt – so genau weiss ich das nicht mehr.) Auch meine Seekrankheit hielt sich diesmal in Grenzen. Allerdings musste ich feststellen, dass es mir nicht gut tut, wenn ein Schiff einfach ruhig im Wasser liegt, ohne eigenen Antrieb und nur vom Meer auf und ab, hin und her geschaukelt wird. Das Meer war ruhig, die Wellen kaum 10 oder 20 cm hoch (ein Seemann hätte wohl von gar keinem Wellengang gesprochen) – mir allerdings reichte es, um mich schon recht unbehaglich zu fühlen.
Um mich abzulenken, dachte ich darüber nach, woher meine (wie ich jetzt feststellte: eher theoretische) Affinität zu Walen stammte. Von Moby-Dick kann sie sich nicht herleiten; Melvilles Roman habe ich erst spät, sehr spät in meinem Leben gelesen. Aber ich weiss, dass ich schon mit 14 oder 15 im Biologie-Unterricht die Spezies Wal als Thema zum obligatorischen Vortrag genommen habe. Das Wissen dazu habe ich aus irgend einem Reader’s Digest Buch genommen. 8 oder 10 muss ich aber gewesen sein, als ich ein Buch geschenkt erhielt, das in Wort und Bild die Geschichte einer aus Walknochen (?) geschnitzten Möwe erzählte, die drei oder vier Generationen junger Walfänger auf ihren Fahrten begleitete – was dem Erzähler zugleich die Möglichkeit gab, die Entwicklung der Schifffahrt vom Segelboot bis hin zum Dampfschiff zu erzählen. Am Schluss ging die Möwe in einem Sturm (?) verloren. Ich habe es mittlerweile aufgegeben, Titel und Autor des Buchs noch herausfinden zu wollen.
Der letzte Tag auf Saõ Miguel war einer Inselrundfahrt gewidmet. Ganz im Stil reicher Touristen heuerten wir für einen halben Tag einen Führer mit Auto an. So sind wir ohne grosse eigene Anstrengung noch zu einer Sicht der Nordküste gekommen, wo das Meer etwas rauer ist, die Wellen am Ufer etwas höher ankommen und deshalb die Surfer bevorzugt residieren. Heute allerdings war kein Surfer draussen, nur ein oder zwei Badende. Weisser Sandstrand übrigens, wovon Touristen träumen, ist auf den Azoren nicht. Das Vulkangestein ist ursprünglich rabenschwarz, wird mit der Zeit aber schmutziggrau-dunkelbräunlich.
Dann fuhren wir auch auf den zweithöchsten Berg der ganzen Azoren-Gruppe (den Namen habe ich vergessen), wo wir den Kratersee erblicken konnten, der ganz gut beweist, dass die Inselgruppe vulkanischen Ursprungs ist. Bis heute wird offenbar die Temperatur des Wassers regelmässig gemessen. Eine übergrosse Erwärmung würde darauf hindeuten, dass der Vulkan wieder tätig werden könnte. Im Übrigen sind grosse Teile der Gegend Naturschutzgebiet, nur und allenfalls Wanderern zugänglich – was gemäss unserm Führer zur Folge hat, dass man dort nicht nur ein paar der schönsten, sondern auch ein paar der einsamsten Strände Europas finden kann.
Vulkanische Tätigkeit bedeutet, dass man auf Saõ Miguel auch warme bis heisse Quellen findet. Teilweise bildeten die Quellen auch natürliche Bassins, wo bis heute Einheimische und Touristen praktisch umsonst baden gehen können. Ich habe herausgefunden, dass die meisten heissen Quellen nach Schwefel riechen – so auch hier.
Am Abend packten wir dann die Koffer und verliessen Punta Delgada Richtung Lissabon.