Nur wenige Jahre vor Heinrich Barth, und ein paar Kilometer weiter östlich, war im 19. Jahrhundert ein weiterer Deutscher in Afrikas Wüsten unterwegs: Alfred Edmund Brehm. Und wer bei „Brehm“ jetzt an „Tierleben“ denkt, liegt richtig. Bis heute ist Alfred Edmund Brehms Name mit dem berühmtesten seiner Werke verknüpft, einen (im Original) 10-bändigen Lexikon über die gesamte Tierwelt der Erde. Die Lektüre des Tierlebens lohnt übrigens auch heute noch – jedenfalls, wenn man auf Brehms Originaltext zurückgreift. Die praktisch alles umfassende Liebe fürs Tierreich, die sich darin ausdrückt, der Humor und ein immer wieder durchbrechender Ezählfuror machen Brehm zu einem hervorragenden Essayisten. Das lässt einen leicht über Fehlinterpretationen und Vermenschlichungen tierischen Verhaltens hinwegsehen, die Brehm immer wieder unterlaufen.
Dieser Humor und ein grosses erzählerisches Talent brechen schon in Brehms literarischem Erstling durch, dem Bericht von seinen beiden Reisen dem Nil entlang bis weit in den Sudan hinein. Und wenn jener andere Alfred, jener andere reisende Forscher, Wallace, seinen Bericht vor allem mit Erzählungen von der Jagd auf seltene Vögel und Insekten füllt, so lesen wir bei Brehm kaum etwas davon, obwohl die Jagd auf exotische Vögel und andere Tiere eine der Aufgaben der Expedition war, und Brehm offenbar gar kein übler Jäger vor dem Herrn. Das mag allerdings der Bearbeitung des Textes durch den Herausgeber bei der edition erdmann geschuldet sein (Wir erfahren nur, dass, aber nicht inwiefern der Originaltext bearbeitet wurde. Im Übrigen: Die vorliegende Ausgabe von 2012 beruht offenbar auf einer ältern der früheren Edition Erdmann, von 1983, und wurde ganz offensichtlich einmal mehr mit einer OCR-Engine eingelesen und ebenfalls einmal mehr schludrig Korrektur gelesen: Ein neuer Absatz, der mitten in einer Worttrennung beginnt, erweckt bei mir keinerlei Vertrauen in irgendeine editorische Arbeit. Wie schon einmal gesagt: Finger weg von der edition erdmann im Marix Verlag!)
Brehm beschreibt auf seiner Reise vor allem die gefährlichen Momente und die skurrilen Figuren, denen er begegnet ist. Die Erzählung eines Wüstensturms, der eine ganze Karawane auslöscht, kam mir äusserst bekannt vor, und ich bin fast sicher, dass sich Karl May für eine ganz ähnliche Schilderung schamlos bei Brehm bedient hat. (Ohne dass Brehm sich übrigens als den omnipotenten Helden geriert hat, den Karl May auftreten liess!)
Brehm trat die Reise als junger Mann von gerade mal 18 Jahren an. Er hatte gerade ein Architektur-Studium abgebrochen und war in seines Vaters Fussstapfen als Amateur-Ornithologe getreten. Diese Reise und der Bericht machten ihn in Deutschland bekannt genug, dass er den neu gegründeten Hamburger Zoo als erster Direktor führen durfte, und später das Berliner Aquarium.
Bei allen editorischen Mängeln liest sich Brehms Bericht gut und süffig. Dem Liebhaber alter Reiseberichte also trotz allem zu empfehlen – auch wenn ich heute im Wissen um die Mängel der edition erdmann wohl eher versuchen würde, mir eine Originalausgabe antiquarisch zu beschaffen.