Kurd Laßwitz ist so etwas wie der deutsche Jules Verne – der Vater der deutschen Science Fiction. Im Gegensatz zu Verne ist Laßwitz heutzutage aber wohl nur noch dem Aficionado bekannt – zu gute Arbeit haben die Nationalsozialisten mit ihrer Verteufelung des Pazifisten Laßwitz gemacht. Man kennt ihn heute kaum noch, und wenn, dann den vorliegenden Roman von 1897.
Sprachlich-stilistisch ist Auf zwei Planeten kein Meisterwerk. (Aber auch Verne war ja kein grosser Sprachkünstler vor dem Herrn.) Laßwitz‘ Sprache ist grossen Teils einfach: Haupt- und Nebensatz, Punkt, nächster Haupt- und Nebensatz, Punkt. Wohltuender Weise hat er aber darauf verzichtet, für die Wesen vom Mars einen eigenen Stil einführen zu wollen. Inhaltlich wandelt Laßwitz auf eigenen Füssen. Wohl ist auch er sozusagen ein ‚Opfer‘ der von Schiaparelli 1877 vermeintlich entdeckten Wasserkanäle auf Mars: Auch er spekuliert darüber, dass solche Kanäle von intelligenten Lebewesen errichtet worden sein müssen. Seine Marsmenschen (er nennt sie Martier) sind hochzivilisierte Wesen, die gerade die Geheimnisse der Gravitition entdeckt haben, und nun in der Lage sind, diese nach Belieben zu reduzieren. Das erst macht es ihnen nämlich möglich, rasch vom Mars zur Erde reisen und dort in der bedeutend höheren Schwerkraft problemlos existieren zu können. Aus technischen Gründen sind Starts und Landungen nur an den Polen der beiden Planeten möglich, und am Nordpol der Erde entdeckt sie denn auch die Forschungsexpedition der Menschen, die den Pol aus dem Ballon heraus erforschen will – natürlich anfänglich noch ohne Kenntnisse der Anwesenheit einer fremden Zivilisation. (Polforschung aus dem Ballon heraus übrigens eine durchaus realistische Vorgabe – so etwas wurde immer wieder geplant, immer wieder auch ausgeführt, mal mit mehr, mal mit weniger Glück.)
Die Martier sehen aus wie Erdenmenschen, mit Ausnahme ihrer immer dunklen Augen. Im Laufe der Geschichte werden sich ein Erdenmensch und eine Martierin in einander verlieben, und es gibt Beispiele gemeinsamer Nachkommen. Laßwitz zeichnet seine Figuren – Gott sei Dank! – etwas weniger schematisch als Jules Verne, auch wenn wir fast klischée-haft den temperamentvoll-überschäumenden Süddeutschen (Österreicher, Tiroler, Südtiroler?) und den steifen, misogynen Norddeutschen an Bord des Forschungsballons wiederfinden.
Auf zwei Planeten ist die Geschichte des Erstkontakts zweier Zivilisationen. Zuerst verstecken sich die Martier an den beiden Erdpolen. Dann, von den Ballonfahrern ins Rampenlicht gezerrt, versuchen sie, friedliche Beziehungen herzustellen. Sie sind viel zu vernünftig, um Krieg zu wollen; auch ihre Ethik verbietet es ihnen, die Numen-haften Lebewesen auf der Erde irgendwie bekriegen oder unterjochen zu wollen. (Nume heissen in ihrer Sprache die Martier, Bate die Erdenmenschen.) Ein unglücklicher Zwischenfall mit einem britischen Schlachtschiff in der Nähe des Nordpols, bei dem das britische Schiff schwer beschädigt wird, es aber doch zwei Martier gefangen nehmen kann, belastet die Beziehungen der beiden Rassen aber von Anfang an schwer. Mitglieder der menschlichen Pol-Expediton, unterdessen auf Mars, können miterleben, wie die anfänglich vernünftig und ethisch hochstehend agierenden Nume nach und nach rassenstolz zu denken und handeln beginnen. Die Erde wird zum Protektorat der technisch um Jahrtausende fortgeschritteneren Nume, die anfangen, den einzig ihnen wichtigen Rohstoff Sonnenenergie auf der Erde ‚abzubauen‘, wo sie mehr davon kriegen als auf ihrem von der Sonne weiter entfernten Heimatplaneten. Schliesslich eskaliert die Situation auf beiden Planeten, wo der Stolz auf die jeweilig eigene Rasse jede vernünftige Diskussion scheitern lässt. Auf dem Mars gewinnt eine Anti-Bate-Fraktion die nächsten Wahlen. Die europäischen Staaten und die Bate werden für rechtlos erklärt und von den Nume definitiv in Besitz genommen. Gegen die technische Überlegenheit der Nume haben die Menschen keine Chance. Dass es dennoch zu einem Happy Ending kommt, verdanken sie den Polarforschern vom Anfang. Der eine ist unterdessen mit einer reichen Martierin verheiratet und verdankt dieser Heirat ein Raumschiff, das den besten Kriegsschiffen der Nume äquivalent ist. Mit einer Kriegslist gelingt es ihnen (und der US-amerikanischen Marine), sämtliche auf der Erde sich befindenden Schiffe der Martier in ihre Hände zu bekommen.
Selbst dann wäre das Happy Ending wohl nicht erfolgt, wenn die Erdenmenschen nicht zugleich viel vom ursprünglichen Kodex der Nume übernommen hätten, wo die Vernunft das Primat bei allen Handlungen haben soll. Gleichzeitig, von den Ereignissen auf der Erde schockiert, finden auch die Nume zu ihren alten Tugenden zurück. Die Fraktion der Anti-Bate zerfällt, die neue Regierung erklärt die Menschen der Erde als gleichberechtigt.
Dazu kommen zwei Liebesgeschichten, eine glücklich verlaufende und eine unglücklich verlaufende.
Die Botschaft Laßwitz‘ ist klar pazifistisch und anti-kolonialistisch: Nur friedliche Beziehungen zwischen den Völkern kann alle Völker weiterbringen. (Dabei lehnte er es allerdings im richtigen Leben ab, Bertha von Suttners Friedensbewegung beizutreten. Sein Gründe sind mir unbekannt – Laßwitz war ganz eindeutig Pazifist. Vielleicht stellte ihm Bertha von Suttner zu viel in ihrer Bewegung auf den – weiblichen – Bauch und zu wenig auf die Vernunft ab?) Auch abgesehen von der politischen Botschaft ist Auf zwei Planeten recht amüsant zu lesen. Eine Lektüre lohnt sich; die Beschreibung des Lebens und des Alltags auf dem Mars ist phantasievoll und lebendig.
Der Roman liegt mir vor in einer Reproduktion des Originals in neuer Rechtschreibung, die 2014 im (mir ansonsten unbekannten) Aischines-Verlag in Paderborn erschienen ist, 532 Seiten, ohne weitere Hinweise auf einen eventuellen Herausgeber. Pappe, gebunden, gewöhnungsbedürftiger Flattersatz. Es gibt in dieser Ausgabe offenbar noch mehr von Laßwitz.
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