Friedrich Theodor Vischer: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen III.III

(Erneut hat der Buchbinder meiner Ausgabe die Art und Weise der Nummerierung auf dem Buchrücken geändert: Ab jetzt sind es nur noch römische Ziffern, die Band und Teilband bezeichnen.)

Kurze Standortbestimmung: Wir sind nun im Dritten Theil. Zweiter Abschnitt: Die Künste. Drittes Heft: Die Malerei. Das dritte Heft ist umfangreich genug, um in einen eigenen Band eingebunden zu werden.

Vischer geht immer in derselben Reihenfolge vor: Er bestimmt erst das Wesen der Malerei: das Material; die Vorstufen (er rechnet z.B. die Zeichnung nicht als eigene Kunstform, sondern nur als Vorstufe der Malerei); diskutiert Licht, Schatten, Farbgebung; unterscheidet die Stile des Naturalismus und des Individualismus (sein Naturalismus hat mit dem, was heute Kunstgeschichte als Naturalismus bezeichnen würde, wenig zu tun – Vischer ist immer auf konkrete Malerei bezogen, die abstrakte kannte seine Zeit noch gar nicht); geht über Landschaftsmalerei zur Darstellung tierischer und dann menschlicher Gestalt (beim Tier kommt auch das Stillleben zur Sprache, und die Darstellung des Menschen ist natürlich auch hier wie in der Bildhauerei die höchste Stufe der Kunst); um zum Schluss nochmals auf Licht, Farben und Rahmen einzugehen. Dem folgt auch hier eine Geschichte der abgehandelten Kunst, wo für einmal die Malerei des Altertums gleich römische und griechische Antike zusammenfasst und mit der orientalischen Malerei (wo Vischer v.a. Ägypten nennt) in nur zwei Paragraphen abgehandelt wird – mangels Material wohl. Im Mittelalter unterscheidet er italienischen von deutschem Styl. Als herovrragendste Vertreter des italienischen Stils betrachtet er am Ausgang des Mittelalters M. Angelo und Raphael. Dass er einen deutschen Stil kennt, ist mehr Nationalismus als Kunstgeschichte: Er rechnet zu den Deutschen auch die Flamen und Niederländer. Er nennt aber hier, im Gegensatz zum italienischen Stil, keinen Maler, der herausragt. In der modernen Malerei lobt er vor allem den Belgier Rubens – ohne viel mehr als dessen Hautkolorit rühmen zu können. Hier tritt nun auch die französische Malerei in seinen Blick. Man kann sagen, dass Vischers Kunstgeschichte und -kritik ungefähr da aufhört, wo Baudelaire dann weiterfahren wird. (Wobei Baudelaire über das bessere kunstkritische Rüstzeug verfügte!)

Der Anhang, über den auch Vischers Ausführungen zur Malerei verfügen, behandelt zuerst die Karikatur. Vischer findet darin einerseits eine Übertreibung bestehender Züge, andererseits die Verleihung fremder und nicht passender Züge an eine Figur. Auf die Karikatur folgt die Vervielfältigende Technik, wo Vischer vor allem an Stahl- und Kupferstich, an Lithographie und Holzschnitt denkt, die er nur kopierend und vervielfältigend denkt – als Kunstform waren sie ihm fremd. Fotografie schliesslich (es existierten ja schon Daguerrotypen!) wird bestenfalls als Hilfsfunktion für den Portrait-Maler akzeptiert. Zu realistisch und unschön erscheinen Vischer ihre Resultate, als dass er sie als eigene Kunstform betrachten könnte. Anschliessend wird ganz kurz die Dekorationsmalerei abgehandelt. Zum Schluss bringt er noch ein paar Worte zu der schönen Gartenkunst. Hier unterscheidet er grosso modo den klassischen, französischen (Rokoko-)Garten vom Englischen Garten, ohne auf anderthalb Seiten viel mehr über den Garten sagen zu können. Die Namen von Gartenkünstlern sind ihm unbekannt oder unwichtig.

Alles in allem sind Vischers Ausführungen zur Malerei fast interessanter in dem, was wir heute anders oder überhaupt erst sehen – seine Zeit stand kurz vor dem Absprung in die Ästhetik des Impressionismus und Expressionismus. Vischer steht noch voll und ganz in der Klassik bzw. im dem, was die Nachwelt als ‘Klassizismus’ bezeichnen würde. Das schränkt seine Theorie für den heutigen Leser doch arg ein.

 

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