Günter Gawlick, Lothar Kreimendahl: Hume in der deutschen Aufklärung. Umrisse einer Rezeptionsgeschichte.

David Hume hat auf seine Anerkennung als Philosoph lange warten müssen – sogar heute noch ist er dem englischen Publikum eher als Historiker ein Begriff. Und auch die Rezeptionsgeschichte seines Denkens in Deutschland war von Ignoranz und Ablehnung geprägt. Wäre da nicht ein gewisser Immanuel Kant gewesen, der da behauptete, vom Schotten aus seinem „dogmatischen Schlummer“ geweckt worden zu sein.

Der „Treatise“, der nach seinem Verfasser „totgeboren aus der Druckerpresse fiel“, wurde in Deutschland kaum zur Kenntnis genommen. Dies lag u. a. auch daran, dass man in deutschen Philosophenkreisen zwar durchwegs des Französischen mächtig war, nicht jedoch des Englischen und daher (wie Kant) auf Übersetzungen zurückgreifen musste. Dadurch ergab sich die beklagenswerte Situation, dass Hume anfangs weitgehend ignoriert wurde, später jedoch (und vor allem durch den Hinweis auf den Kantschen Dämmerschlaf) nur noch als Anreger für die neue, alles überstrahlende Transzendentalphilosophie angesehen wurde. Mit Kant glaubte man die von Hume aufgeworfenen Probleme überwunden und im Grunde dauerte es fast 150 Jahre, bis der von Hume aufgeworfenen Induktionsproblematik jene Aufmerksamkeit zuteil wurde, die sie verdiente.

Der „Enquiry“ hingegen wurde sehr viel früher rezipiert, allerdings hat man sich schon bald ausschließlich auf die religionskritischen Passagen konzentriert und Hume als Freigeist und Atheisten bezeichnet, der sich – um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen – einiger Paradoxa bedient und damit das Christentum zu diffamieren sucht. Kaum eine Rezension setzt sich mit dem von Hume penibel dargestellten Glaubwürdigkeitsproblem bezüglich der Wunder auseinander, argumentiert wird aufgrund von erst zu beweisenden Prämissen und häufig ad hominem oder ad consequentiam: Wenn die christliche Moral in Gefahr zu sein scheint, muss der betreffende Gedankengang per se falsch sein.

Nur einige wenige sind überhaupt bereit, sich mit den Argumenten Humes auseinanderzusetzen (etwa Johann Nicolaus Tetens, Johann Gottlieb Buhle oder Carl Friedrich Stäudlin), wobei auch diese schlussendlich das System Humes (vor allem in der Moralphilosophie mit seinem Primat des Gefühls) ablehnen; außerdem hat sich zu der Zeit bereits die deontologische Ethikkonzeption Kants durchgesetzt. Einzig der Stil Humes oder aber einzelne Essays finden Gnade vor dem gestrengen Auge der deutschen Aufklärer (deren erster Kontakt mit dem Schotten oft durch französische Übersetzungen zweifelhafter Qualität erfolgt) wie auch seine historischen Werke: Wirklich zur Kenntnis genommen wird er kaum – außer (durch die Vermittlung Hamanns) von Kant.

Dieser Rezeption ist ein eigenes Kapitel gewidmet, wobei es den Autoren darum zu tun ist nachzuweisen, dass es die Übertragung Hamanns aus dem Treatise war, die Kants Erweckungserlebnis bewirkte. Allerdings handelt es sich hier um ein wahrlich akademisches Problem, das von Kantforschern schon seit Jahrhunderten kontrovers diskutiert wird und das ich in der dargestellten Weise einfach zur Kenntnis zu nehmen gezwungen bin. In diesem Zusammenhang ist es bedauerlich, dass der philosophische Einfluss auf die Positionen Kants nicht genauer dargestellt wird: Allerdings war dies nicht die Absicht dieser Rezeptionsgeschichte. Eine insgesamt sehr gut lesbare, die Entwicklung der deutschen Philosophie erhellende Darstellung, die aber nur für den mit dieser Epoche einigermaßen Vertrauten von Interesse sein dürfte.


Günter Gawlick, Lothar Kreimendahl: Hume in der deutschen Aufklärung. Umrisse einer Rezeptionsgeschichte. Stuttgart: Frommann Verlag 1987.

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