Karel Čapek: Der Krieg mit den Molchen

Illustration: Hans Ticha. Typografie: Hans Ticha und Peter Birmele. Übersetzung: Eliška Glaserovà. In dieser Form ursprünglich erschienen 1987 im Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar. Heute (2016) in einer redigitalisierten Lizenzausgabe bei der Büchergilde Gutenberg erhältlich. (Vor allem der Name des Illustrators Hans Ticha darf für einmal nicht unerwähnt bleiben. Seine Tätigkeit ging bei diesem Buch weit über das Verfertigen von Bildern hinaus: Er verwob Bild und Text, Form und Inhalt auch mit typografischen Mitteln, so, wenn z.B. zitierte Zeitungsausschnitte im zeitungstypischen Spalten-Layout mit entsprechend andern Lettern dargestellt werden. Andererseits weist er auch über den Text hinaus, so, wenn er die Szene, wo das angehende Filmsternchen den intelligenten Molchen des Titels begegnet, mit Bildern im Stil von Andy Warhol illustriert – damit nicht nur auf dessen Diktum von den 15 minutes of fame anspielend, sondern auch auf dessen Portraits von Marilyn Monroe oder US-amerikanischer Cartoon-Superhelden.)

Čapeks Roman, das muss gesagt werden, hätte Tichas Schützenhilfe gar nicht nötig gehabt. Die Satire auf menschliches Verhalten, menschlichen Ehrgeiz und menschliche Dummheit ist auch so rundum gelungen. Über weite Strecken liest sich der Roman sehr heiter, wenn auch sehr ironisch; erst zum Schluss, als der Autor mit sich selber in ein Zwiegespräch tritt darüber, ob er nun den Molchen den Sieg über die Menschen zugestehen soll, was dem heimlichen Protagonisten des Buchs, einem einfachen tschechischen Portier, den Lebensabend so ziemlich verdüstern würde (er fühlt sich verantwortlich dafür, Kapitän Toch, den Entdecker der Molche, bei seinem Arbeitgeber, dem Industriekapitän G. H. Bondy, vorgelassen und so die ganze Entwicklung des Molchtums erst aufgegleist zu haben), kippt das Ganze in eine düstere Dystopie. Die Molche, die ihren Sieg über die Menschheit der Tatsache verdanken, dass sie keinerlei metaphyisch-religiöse, ethnisch-rassische, nationale oder anderweitige Differenzen unter sich kennen und deshalb über die ganze Welt hinweg einheitlich für dasselbe Ziel arbeiten können, werden zum Schluss doch noch mit einer linguistischen Differenz versehen (die ursprünglich von Toch in verschiedenen pazifischen Inseln angesiedelten Molche, die Pidgin-Englisch sprechen, und die später von den Industrienationen an ihren Küsten angesiedelten, die Basic English reden), was zu Hass aufeinander und schliesslich dazu führt, dass sich die beiden Populationen gegenseitig auslöschen. Die Überreste der Menschheit, in die Berge geflohen, können langsam wieder an die Küsten zurück kehren.

Es entsteht eine neue Legende von einer Sindflut, die Gott über die sündigen Menschen gesandt habe. Es wird auch Überlieferungen geben von versunkenen, mythischen Ländern, die die Wiege der menschlichen Kultur gewesen seien. Vielleicht wird man auch von irgendeinem England oder Frankreich oder Deutschland fabeln …

»Und dann?«

… Weiter weiß ich nicht.

Eine ewige Wiederkehr des Gleichen?

Man kann die Geschichte als Historie der Entwicklung des Kapitalismus lesen. Die ursprüngliche, man ist versucht zu sagen, paternalistisch-liebevolle Form, die Kapitän Toch verkörpert, der seine Tappa-Boys, wie er die Molche nennt, über alles liebt. Die ausbeuterische Form nach der industriellen Revolution, die die Arbeitskräfte als einfach zu verschiebende Ware wahrnimmt. Die Aufstände der Arbeiter gegen diese Ausbeutung. Deren Sieg und Untergang, da sie – einmal siegreich – genau gleich agieren wie ihre vormaligen Unterdrücker. Man kann den Roman lesen als Parabel auf Fremdenhass und Antisemitismus. (Das Werk ist 1936 entstanden. Zwei Jahre später starb Čapek; er wurde nicht ganz 49 Jahre alt.) In jedem Fall aber ist Der Krieg mit den Molchen eine amüsante und intelligente Lektüre. Auch 80 Jahre nach seinem Entstehen immer noch aktuell und deshalb absolut empfehlenswert.

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