Kai Jäger: Verwandtschaft ist ein Knochenjob

Wer es noch nicht gewusst haben sollte (und ich zähle mich zu diesem erlauchten Kreis): Es gibt „Science-Slam-Meisterschaften“ und der Preisträger des Jahres 2014 war der Autor. Meine Phantasie versagt zwar diesbezüglich, meine Vorstellung geht in die Richtung „humorvolle Wissensvermittlung für jedermann“. Und mit dieser Charakteristik liegt man auch beim vorliegenden Buch nicht ganz falsch.

Es handelt sich um eine leicht fassliche Einführung in die Paläontologie untermalt von diversen Anekdoten aus dem Wissenschaftsalltag. Wobei ich nicht wirklich ein Anhänger dieser „humorvollen“ Schreibweise bin – nicht, weil ich jedem Lachen abhold wäre oder zu diesem Behufe den Keller aufsuche, sondern weil der Witz meist direkt aus einer Spieleshow von Privatfernsehsendern übernommen zu sein scheint. Allerdings liegt dieses Buch dann doch über dem humorigen Durchschnitt und man ist der Notwendigkeit, sich für den Autor schämen zu müssen, enthoben. Fachlich ist wenig auszusetzen, es ist eine gelungene Überblicksdarstellung über die Entwicklung des Lebens der letzten 4 Milliarden Jahre, zu deren Lektüre kein Vorwissen notwendig ist (empfehlenswert für Laien, die sich einen Überblick über den Forschungsgegenstand verschaffen wollen). Jemand, der mit der Materie einigermaßen vertraut ist, wird wenig Neues finden, kann aber sein Wissen auf kurzweilige Art auffrischen.

Dass die Evolution in einem solchen Buch auch zum Thema wird liegt auf der Hand: Und Jäger pflegt hier jene feige Haltung einzunehmen, die man von solchen Büchern leider gewohnt ist. Er ironisiert zwar den Kreationismus (und verweist in der Demiurgenfrage nicht auf den lieben Gott, sondern auf das fliegende Spaghettimonster), entzieht sich dann aber einer klaren Stellungnahme dadurch, dass er „die Gretchenfrage“ nicht stellen möchte. Warum eigentlich nicht? Welche Rücksichten werden hier genommen – auf wen, warum? Weshalb kann ein Wissenschaftler nicht dezidiert feststellen, dass der Glaube welcher Religion auch immer einfach nur Unfug ist und mit der Wissenschaft inkompatibel? So wie man auch kleinen Kindern gegenüber nicht sagen darf (soll), dass es keinen Gott gäbe: Wer das tut (und ich spreche aus Erfahrung), erntet missbilligende Blicke, als ob man dem Heranwachsenden damit etwas nehmen würde. Tut man mitnichten – im Gegenteil: Indem man Kinder belügt, bezeugt man keinerlei Hochachtung vor ihnen. Und selbst Vorschulkinder sind durchaus in der Lage, den Grundgedanken der Evolution zu erfassen (empirischer Wert). Diese Feigheit gegenüber allgemein angesehener Dummheit finde ich widerlich und ich würde mir mehr Autoren wünschen, die hier klar Stellung beziehen. Dabei kann man auf polemische Ausfälle durchaus verzichten: Unmissverständliche Klarheit ist ausreichend (die Lächerlichkeit des Glaubens wird sich dem Heranwachsenden ganz automatisch erschließen). – Davon abgesehen ist das Buch aber empfehlenswert (und selbst die der Unterhaltung dienenden Episoden sind um einiges amüsanter als ansonsten in solchen Büchern).


Kai Jäger: Verwandtschaft ist ein Knochenjob. Was Fossilien über unsere Herkunft verraten. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2017.

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