Um es im Jargon der Sportjournalist:innen zu schreiben: Mit diesem Roman hat Kim de l’Horizon letztes Jahr (2022) das Double gewonnen – nämlich sowohl den Deutschen wie kurze Zeit später den Schweizer Buchpreis. Kim de l’Horizon begreift sich selber als genderfluide Person. Das bedeutet, so weit ich das verstehe, dass Kim sich manchmal als Männchen…
Schlagwort: magischer Realismus
hat seine Wurzeln in Lateinamerika
Olga Tokarczuk: Die Jakobsbücher
Oder – so der Untertitel – Eine große Reise über sieben Grenzen, durch fünf Sprachen und drei große Religionen, die kleinen nicht mitgerechnet. Eine Reise, erzählt von den Toten und von der Autorin ergänzt mit der Methode der Konjektur, aus mancherlei Büchern geschöpft und bereichert durch die Imagination, die größte natürliche Gabe des Menschen. Den…
Joaquim Maria Machado de Assis: Das babylonische Wörterbuch
Machado de Assis ist heute im deutschen Sprachraum sicher bekannter, als er es vor 20 Jahren noch war, zu jener Zeit, da ich ihn für mich entdeckte. Das mag, wie es der Verfasser des Nachworts der vorliegenden Auswahlausgabe, Manfred Pfister, meint, damit zusammenhängen, dass Brasilien in diesen letzten Jahren zwei Mal Gastland der Frankfurter Buchmesse…
Jorge Luis Borges: 25. August 1983 und andere Erzählungen
Normalerweise werden die Bände der Bibliothek von Babel immer mit einem Vorwort des Herausgebers Jorge Luis Borges eingeleitet. Das ist hier nicht der Fall. Hier stammt es von Martin Gregor-Delling; viel wichtiger und interessanter als diese Einleitung ist aber das am Schluss folgende Interview, das María Esther Vázquez mit Borges geführt hat (Borges gleich Borges),…
Italo Calvino: Marcovaldo oder Die Jahreszeiten in der Stadt [Marcovaldo ovvero le stagioni in città]
Picaro sein zu müssen in der Literatur des 20. oder 21. Jahrhunderts, ist kein einfaches Schicksal. Till Eulenspiegel konnte seine Spitzbübereien noch ungehindert planen und ungestraft ausführen. (Wenn er auch letzteres vor allem seinen flinken Füssen verdankte.) Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg aber darf sich der Schelm nicht mehr auf Till berufen, und er kann…
Ngũgĩ wa Thiong’o: Herr der Krähen
Kamĩtĩ ist Bürger der ‚freien Republik‘ Aburĩria. Aburĩria ist in Tat und Wahrheit weder frei noch Republik, sondern einem so genannten Herrscher, seiner allmächtigen Vortrefflichkeit (also einem Diktator), unterworfen. Damit könnte Kamĩtĩ leben; im Gegensatz zu andern Figuren in diesem Roman hat er keinerlei Ehrgeiz – er möchte nur leben, überleben. Doch das ist schwierig; obwohl Kamĩtĩ ein Studium…
Jorge Amado: Die Werkstatt der Wunder [Tenda dos milagres]
Das Original erschien 1969, die Neuübersetzung ist jetzt 2012 zum 100. Geburtstag des Autors bei S. Fischer erschienen. Beabsichtigtes ironisch-literarisches Spiel? Denn das Thema dieses Romans sind die geplanten Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag eines Autors. Nicht irgendeines Autors, versteht sich. Jorge Amado schildert das Leben eines sehr speziellen Gelehrten: Pedro Archanjo. Der lebt in der…
Mo Yan: Der Überdruss
Es kommt selten vor, dass ich die Empfänger eines – irgendeines – Literaturpreises lese. Wenn, dann endet das meist in einer Enttäuschung, weil die Kriterien für gute Literatur einer Jury selten mit den meinen übereinstimmen. Nun gar der Nobelpreis, dessen Kriterium ja in erster Linie nicht einmal unbedingt literarische Qualität in irgendeiner Form ist. Erste…
Gabriel García Márquez: Erinnerung an meine traurigen Huren
2004 erschien dieser kurze Roman des kolumbianischen Literaturnobelpreisträgers García Márquez. Er erregte einen mittleren Skandal, und viele Leser bzw. Leserinnen sollen ihn entrüstet oder voller Abscheu beiseite gelegt haben – nach den ersten paar Seiten. Altmännerphantasien auszumalen, warf man dem Autor vor. Denn das Thema dieser knapp 150, grosszügig bedruckten Seiten ist die Liebe zwischen…