Henri Bergson: Das Lachen [Le rire]

Bergson war, wenn ich das richtig sehe, der erste Philosoph, der dem Komischen eine eigene Monographie widmete. (Man kann freilich darüber streiten, ob sein Élan vital Philosophie war oder nicht. Nun, ein anderer philosophischer Literaturnobelpreisträger, Bertrand Russell, hat ihm in seiner Philosophiegeschichte immerhin ein paar Seiten gewidmet.)

Bergsons Theorie des Komischen lässt sich auf den Satz kondensieren, dass uns etwas zum Lachen reizt, wenn das Mechanische über das Lebendige Oberhand gewinnt. Wenn der (eigentlich lebendige) Körper mechanisch weiterschreiten will, obwohl ein Stein im Weg liegt, und der Mensch stolpert. Wenn die komische Figur auf der Bühne das Mechanische des Sprechens nicht überwinden kann und stottert. Wenn (wieder auf der Bühne) quasi-mechanisch sich Ereignisse wiederholen – meist in verschiedenen sozialen Schichten, also z.B. die Verdoppelung des Amphitryon durch Jupiter in der Verdoppelung des Sosias durch Merkur gespiegelt wird und die beiden Untergebenen praktisch 1:1 die Diskussionen wiederholen, die ihre Vorgesetzten geführt haben. Da das Lebendige nur im Menschen daheim ist, folgt, dass Tiere per se nie komisch sein können. Und auch nie lachen.

Bergson übernimmt die meisten Beispiele für das Komische aus der klassischen französischen Komödie – d.i. Molière – und aus dem französischen Schwank, dem Vaudeville des 19. Jahrhunderts (Eugène Labiche). Das engt seinen Begriff des Komischen ein. Dass z.B. ein Doppelgänger, eine 1:1-Wiederholung von Erlebnissen, auch beängstigend sein können, und wo oder wie der Unterschied zwischen komischer Wiederholung und beängstigender Wiederholung entsteht – davon kein Wort. Bergson scheint wenig ausserhalb der französischen Literatur gekannt zu haben – die deutsche jedenfalls nicht. Schade, ein E. T. A. Hoffmann oder ein Kleist (gerade mit seinem von Molière inspirierten Amphitryon!) hätten seiner Theorie wertvolle Ergänzungen liefern können. Allerdings wäre sie denn auch nicht so simpel geworden, dass er sie auf 125 Seiten komprimiert hätte darstellen können.


Gelesen in der Übersetzung von Julius Frankenberger und Walter Fränzel.

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