Bauer, Gigerenzer, Krämer: Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet

Alle drei Autoren sind von Berufs wegen mit Statistiken befasst und insbesondere Gerd Gigerenzer ist bereits mit mehreren Publikationen zum Thema an die Öffentlichkeit getreten. Und sie sind auch Co-Autoren der „Unstatistik des Monats“, die auf zahlreichen Universitäts-Webseiten präsentiert wird (hier ein Überblick der TU-Dortmund).

Allen gemeinsam ist das Bemühen, gegen den „Analphabetismus im Umgang mit Wahrscheinlichkeiten und Risiken“ (Gigerenzer) anzugehen, ein löbliches, aber zumeist recht fruchtloses Unterfangen. In diesem Buch werden die hauptsächlichen Probleme bei der Interpretation von Statistiken beschrieben und anhand von zahlreichen Fallbeispiele dokumentiert. Das liest sich großteils schockierend (mir bleibt es mitunter ein Rätsel, wieso gerade die Wahrscheinlichkeitsrechnung, die fast völlig ohne höhere Mathematik begreifbar ist, derart große Schwierigkeiten bereitet), manchmal amüsant, aber auch verwirrend, selten zur Kritik Anlass gebend. Letzteres drängt sich im Kapitel über Giftstoffe in Nahrungsmittel auf: Wobei man erstmal allen im Text angeführten Fakten zustimmen muss. Die Grenzwerte sind äußerst gering, die Pestizidrückstände in einer Dosis, die eine Gesundheitsgefährdung des Menschen vernachlässigbar erscheinen lässt (v. a. deshalb, weil die natürlichen, von allen Pflanzen erzeugten Gifte (diese schützen sich damit vor Fressfeinden) ein weitaus größeres Gefahrenpotential darstellen als die künstlichen, bekannterweise würden Himbeeren niemals eine Zulassung von einer Nahrungsmittelbehörde erhalten). Die Betonung aber sollte hier nicht auf „Mensch“ liegen: Das Problem (etwa auch von Glyphosphat) ist nicht, dass der Verbraucher nach dem Verzehr derart behandelter Tomaten alsbald dahinsiecht, sondern dass vor allem die Insektenfauna darunter enorm leidet. Und erst über diesen Umweg wird das Ganze auch zu einem Problem für den Menschen: Indem wir die Biodiversität vernichten, zerstören wir unsere eigene Lebensgrundlage.*

Anderes im Buch wirkte auf mich verwirrend: So wird der bekannte Fall von Sally Clark (die aufgrund einer „Unstatistik“ wegen Mordes verurteilt und erst später freigesprochen wurde) sehr nachlässig und nicht nachvollziehbar dargestellt, wie überhaupt das gesamte Kapitel über „bedingte Wahrscheinlichkeit“ all denen, die sich mit der Materie noch nie beschäftigt haben, einige Schwierigkeiten bereiten wird (das „Ziegenproblem“ lässt sich mit weniger Worten eindrucksvoller demonstrieren). Anderes hingegen (etwa die Unsinnigkeit von Mammografie-Screenings, diverser Krebsvoruntersuchungen) sind sehr gut dokumentiert, wie überhaupt das Anliegen der Autoren, gegenüber der Angstmacherei mit aufgepeppten Statistiken einen Gegenpol zu bilden, äußerst notwendig und unterstützenswert erscheint. Besser (weil grundlegender) gefiel mir Das Einmaleins der Skepsis, das vorliegende Buch ist eher die Papierversion der „Unstatistik des Monats“ mit ein paar grundlegenden Erklärungen.


*) Wer – wie der Schreiber dieser Zeilen – schon ein wenig älter ist und bereits in den 70ern des letzten Jahrhunderts auf Autobahnen unterwegs war, möge sich an die Windschutzscheiben von anno dazumal erinnern: Nach wenigen Kilometern war die Sicht des Fahrers von einem Schlachtfeld eingeengt, während man heute die Insektenleichen auch nach 100 km Fahrt an einer Hand abzählen kann. Wenn Studien einen Rückgang von 75 % der Biomasse an Fluginsekten belegen (aber Achtung: Ich konnte diese nicht auf ihrer offenen und verborgenen Tücken überprüfen – hier ist einer der Beiträge nachzulesen), so belegt zumindest mein subjektiver Autofahrereindruck das Ausmaß dieser Statistik.
Bauer, Gigerenzer, Krämer: Warum dich nicht doof macht und Genmais nicht tötet. Frankfurt a. M., New York: Campus 2014.

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