David Lindley: Die Unbestimmbarkeit der Welt

Lindley erzählt die Geschichte der Physik von etwa 1800 bis zur Etablierung der Quantenmechanik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es ist die Geschichte, in der der Laplace’sche Dämon einer allgemeinen Unbestimmtheit weichen musste, in der der Traum von einer bis in die kleinsten Bereiche der Natur erforschbaren und vorherbestimmbaren Welt aufgegeben werden musste.

Lindley macht das ganz hervorragend; er glaubt nicht, mit seinem Buch ein Grundstudium der Physik ersetzen zu können, ohne deshalb allzu vereinfachend oder gar trivial zu wirken. Der Bogen wird über die Brownsche Molekülbewegung, den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik bis hin zu Einsteins Relativitätstheorien und dessen dann langsam einsetzenden Kampf gegen den „würfelnden Gott“ in der Quantenphysik gespannt. Dieser Auseinandersetzung wird breiter Raum gegeben, die berühmte Solvay-Konferenz von 1927 mit einem zunehmend halsstarrig werdenden Einstein wird beschrieben, auch der Kampf der „jungen Wilden“ um Heisenberg und Pauli (mit ihrem Mentor Bohr), die sich – abgesehen von diesem ihrem Mentor – weniger um die philosophischen Aspekte ihrer Theorie kümmerten als vielmehr um die dadurch entstehenden Möglichkeiten in der Physik. Das Buch klingt aus mit einem kurzen Abriss der wissenschaftsphilosophischen Implikationen, einer Kritik der überspannt wirkenden, sozio-historischen Interpretation der Quantenphysik (die da etwa Parallelen zwischen einer unsicherer werdenden Welt in der Weimarer Republik und der Unschärferelation meinte herstellen zu können) nebst den immer noch anhaltenden Fragen um die „richtige“ Auslegung des Komplementaritätsprinzips Bohrscher Provenienz.

Die Kompetenz und Souveränität des Autors besticht zumeist (allerdings bezeichnet er einmal Wittgensteins Tractatus als „Aphorismensammlung“, wobei ich nicht weiß, ob hier nicht der Übersetzer sich blamiert hat), vor allem am fachlich-physikalischen Teil gibt es nichts zu bemängeln (Lindley war theoretischer Physiker in Cambridge und am Fermi-Lab in Chikago). Aber auch die historisch-philosophische Betrachtung wirkt durchdacht, wenn er Spengler für das schicksalsergebene und wissenschaftsfeindliche Denken vor dem Zweiten Weltkrieg benennt oder die Verdienste Schlicks um die philosophische Aufbereitung physikalischer Themen herausstreicht. Leicht und angenehm lesbar gibt das Buch einen gelungenen Überblick über knapp 170 Jahre Physikgeschichte.


David Lindley: Die Unbestimmbarkeit der Welt. Heisenberg und die Kampf um die Seele der Physik. München: DVA 2008.

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