Nina Horaczek, Claudia Reiterer: H. C. Strache

H. C. Strache hat es vor einigen Wochen zu einer über Österreich hinaus reichenden Berühmtheit gebracht: Leicht illuminiert sah man einen proletenhaften Macho in vermeintlichen Verhandlungen mit einer russischen Oligarchennichte, der mit einer erfrischenden Selbstverständlichkeit über mögliche dubiose Geschäfte räsonierte und so das Bild eines Politikers präsentierte, wie es den Vorurteilen derer entspricht, die entweder gar nicht – oder genau den dort dargestellten Typus wählen – korrupt, rücksichtslos, borniert und einzig auf den eigenen Vorteil bedacht. Und dass es gerade die selbsternannten Saubermänner zu sein pflegen, die dann bei derlei Geschäftchen ertappt werden (in Österreich sind sie Legion – so ist Jörg Haider nur durch seinen Tod einer Verurteilung entkommen und der auf Recht und Ordnung bedachte Innenminister Strasser ließ sich in ähnlicher Manier wie Strache bei den korrupten Machenschaften filmen und wanderte für einige Jahre hinter Gitter), entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Die Wählerschaft lässt sich im übrigen von solchen Dingen weit weniger beeinflussen als zumeist vermutet, weil sie in solchem Verhalten nichts anderes sieht als eine lässliche, kleine Sünde, vor der sie auch selbst nicht gefeit wäre. Qualtingers Herr Karl fasste das schon vor rund 50 Jahren prägnant zusammen: „Die Politiker san a ned aunders wie i. Und i kenn mi.“ Deshalb blieb der erwartete Einbruch bei den zwei Tage später erfolgenden Europawahlen aus: Die FPÖ verlor gerade mal 2,5 Prozent, Strache erhielt über die Vorzugsstimmen ein Direktmandat und könnte nun einen Sitz im Europaparlament beanspruchen. Das Wahlverhalten folgt keiner Logik, keiner noch so berechtigten moralischen Empörung, es ist vielmehr (vor allem in der Wählerschaft der Rechtspopulisten) bestimmt von dem Wunsch, einer nicht definierbaren und auch nicht fassbaren Elite eins auszuwischen.

Strache ist für mich trotzdem ein kaum nachvollziehbares Phänomen: Im Gegensatz zu seinem Übervater Haider besitzt er weder Charisma noch rhetorische Fähigkeiten, er ist nichts weniger als ein Intellektueller (was zwar für den potentiellen Wähler belanglos ist, allerdings schadet ein bestimmtes Maß an Intelligenz – wie bei Haider – durchaus nicht für die Ausfüllung der selbst auferlegten Rolle) oder begnadeter Netzwerker, sondern ein biederer und in jeder Hinsicht durchschnittlicher Stammtischbesucher. Seine Werdegang ist denn auch weitgehend durch Zufälle bestimmt: Aufgewachsen in einer wenig noblen Wiener Vorstadtgegend wird er von der alleinerziehenden Mutter mit 6 in ein Internat gegeben (der Vater verschwindet aus seinem Leben, als der kleine H. C. drei Jahre alt ist), zeichnet sich einzig durch eine gewissen sportliche Begabung aus, besucht dann die Handelsschule und beginnt eine Lehre als Zahntechniker (der Versuch, die Matura auf dem zweiten Bildungsweg zu absolvieren, scheitert). Erste Kontakte zur rechten Szene (diese Kontakte wurden später von ihm bestritten bzw. nur dann zugegeben, wenn sich das Fotomaterial als eindeutig erwies) hatte er bereits mit 16 und es scheint mehr wie offenkundig, dass hier ein unsicherer Jugendlicher Halt in einer Gemeinschaft suchte bzw. nach Vaterfiguren Ausschau hielt (so lernte er auch Norbert Burger, einen rechtsradikalen Politiker und Mitglied der deutschnationalen schlagenden Burschenschaft Olympia, kennen, mit dessen Tochter Strache eine Zeitlang liiert war). Während dieser Zeit scheint er auch mit anderen Größen der rechten Szene in Kontakt gekommen zu sein: Gottfried Küssel, Andreas Thierry oder Franz Radl, was ihn in seiner späteren politischen Karriere immer wieder vorgeworfen wurde, aber seinem Erfolg keineswegs abträglich war. Solche Angriffe wurden stets dazu benutzt, ihn als Opfer der etablierten Politik zu stilisieren.

Im Buch (2009 erschienen) werden neben dem politischen Werdegang vor allem die Auseinandersetzungen innerhalb der Partei (mit Ewald Stadler, einem Rechtskatholiken und mit seinem Übervater Haider) thematisiert, wobei sich ein Sittenbild herauskristallisiert, dass die „Ibiza-Affäre“ als eine ganz normale Fortsetzung ekler Machenschaften innerhalb der rechten Szene in Österreich erscheinen lässt. So ist der Streit mit Stadler eine Abfolge widerlicher, ungustiöser Aktionen beider Seiten (Stadler war derjenige, der die Fotos von Straches „Jugendsünden“ in der Presse lancierte) und man weiß kaum, wer in diesem Krieg um die Macht in der FPÖ nun schmieriger agiert hat. Und schon damals war für jeden Beobachter offenkundig, dass die Mitglieder dieser Partei keinerlei moralische Skrupel hatten, die Zahl der strafrechtlichen Verurteilungen der an die Macht gekommenen FPÖ/BZÖ*-Politiker ist Legion.

Damit bleibt das seltsame Phänomen einer durch und durch korrupten Partei und eines dümmlich-primitiven Spitzenkandidaten (Straches Benehmen im erwähnten Video entsprach genau dem Verhalten, das er schon zuvor an den Tag gelegt hat und wird wohl kaum jemanden überrascht haben: Bestenfalls waren das Ausmaß an Unverfrorenheit und Dummheit größer als vermutet), dessen rechtsextreme Vergangenheit aus seinen Äußerungen bis zum Schluss spürbar war. Um so jemanden zur Macht zu verhelfen, braucht es dann noch einen Karrieristen vom Schlage eines Sebastian Kurz, der aus Eitelkeit und Machtgier jede Unterstützung akzeptiert. Letzterer ist im Grunde fast noch abstoßender: Denn während man bei Strache wissen konnte, woran man war, ist der Typus Kurz völlig rückgratlos, der alles und jedes seinen ganz persönlichen und egoistischen Zielen unterordnet (weshalb nach den nun angesetzten Neuwahlen eine weitere Zusammenarbeit mit der FPÖ überaus wahrscheinlich ist). Strache macht seine Einfalt und seine „ehrliche“ rechts-nationalistische Gesinnung durchschaubar, während Kurz – intelligenter, gesetzter, im Grunde völlig meinungslos und sein Programm einzig nach einem möglichen Wahlerfolg ausrichtend – sehr viel gefährlicher für den Rechtsstaat scheint. Nietzsche wollte das Neue Testament nur mit Handschuhen gelesen wissen, bei diesem Buch – oder besser: Bei dieser Thematik verspürte ich ein ähnliches Bedürfnis. Über diese Partei und deren Vertreter zu lesen ist eklig und unappetitlich.


*) Das BZÖ wurde von Jörg Haider nach seinem Zerwürfnis mit der FPÖ-Führung gegründet. Nach dessen Tod 2008 kam es zur Wiedervereinigung mit der FPÖ.


Nina Horaczek, Claudia Reiterer: H. C. Strache. Sein Aufstieg – Seine Hintermänner – Seine Feinde. Wien: Ueberreuter 2009.

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