Es ist noch nicht ganz 90 Jahre her: Richard Katz war Journalist, Redakteur und Prokurist beim Ullstein-Zeitungsverlag in Berlin, als ihm, dem gebürtigen Prager, sein Job, dessen Hektik (und auch die Hektik der Stadt Berlin – damals schon!) zu missfallen begannen. Er kündigte und plante, eine Weltreise zu machen. Heute würden wir von einem „Burn-out“ sprechen. Die Ullstein-Brüder waren schlau genug, zwar seine Kündigung zu akzeptieren, ihn aber gleichzeitig zu überreden, doch – sofern er Zeit und Lust habe – gegen Bezahlung während der Reise über seine Eindrücke nach Berlin zu berichten, wo man sie in einer der vielen Ullstein-Zeitungen veröffentlichen würde. Katz akzeptierte und blieb so ein Ullstein-Mann und wurde gleichzeitig zum Weltreisenden, der sich über die Finanzierung seiner Reise keine Sorge zu machen brauchte. Was sowieso nicht der Fall gewesen wäre, Katz war in führender Stellung angestellt und hatte zweifellos genügend beiseite gelegt. So jedenfalls stellte Katz die Ereignisse Jahrzehnte später – die 5 Ullstein-Brüder, die damals den Verlag leiteten, waren längst gestorben, der letzte durch die Hand der Nationalsozialisten – in seiner Autobiografe Gruß aus der Hängematte dar; und es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln.
Katz‘ Reise begann im eigentlichen Sinn des Wortes in Ägypten, von da aus reiste er, „rechts herum“, wie er es zu formulieren pflegte, um den Globus. Ceylon (wie es damals noch hiess), Java, Australien, Neuseeland, Hawaii, China, Japan, die USA, zuletzt Kuba waren die Stationen seiner Reise. Er berichtete brav nach Berlin, wo seine Depeschen auch in Ullsteins Zeitungen erschienen.
Nach zwei Jahren war er zurück in Berlin und es stellte sich die Frage des „Wie weiter?“ Die Ullstein-Brüder schlugen Katz vor, doch aus seinen Berichten ein Buch zu machen, das sie veröffentlichen würden. (So jedenfalls wieder Katz‘ Darstellung in seiner Autobiografie.) Katz stimmte zu, allerdings, so würde er später gestehen, fehlte es ihm an Zeit und Lust, mehr zu machen, als die bereits erschienenen Depeschen auszuschneiden, zusammenzuheften und so dem Setzer zu bringen. Das derart lieblos zusammengestoppelte Buch wurde Ein Bummel um die Welt getauft, und es wurde – ein Bestseller.
Mit diesem Buch leuchtete der Name „Richard Katz“ als neuer Stern am Himmel der Reiseliteratur im deutschen Sprachraum. Kein Wunder, dass die Ullsteins ihn nochmals auf eine Weltreise schickten, die diesmal sogar 3 Jahre dauern sollte.
Wenn man Ein Bummel um die Welt heute liest, kann man die Faszination des zeitgenössischen Publikums nur noch teilweise nachvollziehen. Vor allem die ersten Kapitel, in denen sich Katz noch völlig in den gewohnten Bahnen des bereits seit langem existierenden Baedeker-Tourismus bewegt, wirken etwas befremdend. Die Überheblichkeit des Weissen gegenüber dem Araber dringt ebenfalls noch stark durch. Katz war sich übrigens durchaus bewusst, dass er eine Entwicklung durchgemacht hatte vom konventionellen Reisenden und Rassisten hin zum Manne, der neben und ausserhalb der touristischen Massenabfertigungen ein Land und seine Leute erkundete, zum Manne auch, der viele (wenn auch nicht alle) rassistischen Vorurteile revidiert hatte. (Bzw. dessen Vorurteile sich in durch Anschauung begründete Nachurteile verwandelt hatten.) Mit zunehmendem Mass sind es schon in Katz‘ erstem Reisebuch die Leute, die ihn interessieren, und nicht die Sehenswürdigkeiten, die er banal findet. Die interessanten Leute sind nicht immer Einheimische, das kann durchaus auch ein deutscher Kapellmeister sein, der im kaiserlichen Japan ein Orchester leitet.
Offenheit für Fremde und eine feine, leise Ironie (nicht zuletzt auch sich selber gegenüber!) sind die Punkte, die Katz‘ Buch auch heute noch lesenswert machen, auch wenn vieles – vor allem dort, wo er die Politik streift (und der völlig apolitsche Katz streift sie wirklich nur) – natürlich in den vergangenen 90 Jahren geändert hat. Katz‘ Erstling zeigt zwar die Krallen des Löwen; der Autor hatte aber durchaus Potential zur Weiterentwicklung. Für mich ist Katz auch immer eine kleine nostalgische Rückkehr zu einem Lieblingsautor meiner Lesesozialisation.
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