Philip K. Dick / Katia Fouquet: Ach, als Blobbel hat man’s schwer!

Dicks Kurzgeschichte Oh, to be a Blobbel von 1964 in der Übersetzung von Thomas Mohr und als Graphic Novel umgesetzt von Katia Fouquet. Erschienen Juli 2019 als N° 46 der Reihe Tolle Hefte bei der Büchergilde Gutenberg.

Inhalt bzw. Interpretation

George Munster ist ehemaliger Soldat und Veteran eines Krieges zwischen den Menschen und der fremden Spezies der Blobbel. Diese sind wahrscheinlich aus einer andern Galaxis in die unsere gekommen und haben sich auf dem Mars angesiedelt. Als die Menschheit das Gefühl hatte, sie brauche den Mars, um ihrer immer größer werdenden Knappheit an Nahrungsmitteln begegnen zu können, kam es zum Krieg.

Im Laufe dieses Kriegs meldete sich Munster, um als Spion freiwillig hinter den feindlichen Linien tätig zu sein. Das erforderte eine nicht geringe Umwandlung seines Körpers, waren doch die Blobbel im Grunde genommen große Einzeller – Amöben mit Denkvermögen. Die menschliche Ingenieurskunst schaffte es dann zwar, dass sich Munster in einen Blobbel verwandelte – aber nur für eine gewisse Zeit am Tag. Nach dem Krieg erlebte Munster – und mit ihm die andern 66 Soldaten, die dasselbe gemacht hatten wie er – dass die vermeintlich temporäre, nur für den Krieg gedachte Umwandlung nicht rückgängig gemacht werden konnte. Er war dazu verdammt, täglich für einige Stunden zum Blobbel zu werden. Das ist seine Vorgeschichte, die wir erfahren, als er zu Beginn der Story bei Dr. Jones erscheint, einem homöostatischen Psychoanalytiker, einem Roboter-Psychoanalytiker also. Denn Munster hat mit seinem Leben beträchtliche Probleme. Er findet keine Arbeit, weil er sich jedes Mal in einen Blobbel verwandelt, wenn er sich emotional erregt, sich ärgert oder sich freut. (Während Dr. Jones in der Aufregung auf Wienerisch zu plappern beginnt – im Original auf Deutsch. Einem grammatikalisch sehr mangelhaften Deutsch, was wohl nicht Dicks Absicht war, sondern seinen nur rudimentären Deutschkenntnissen zuzuschreiben ist.)

Dr. Jones‘ Hilfe ist ungewöhnlich: Er vermittelt Munster die Bekanntschaft einer Blobbel-Frau, die umgekehrt dasselbe getan hat wie er: Um als Spionin bei den Menschen tätig zu werden, liess sie sich entsprechend verändern. Und nun wird auch sie täglich in regelmäßigen Abständen von einer Blobbel zu einer (wie Munster findet, denn er lernt sie in der menschlichen Gestalt kennen) sehr attraktiven Frau. Die beiden finden tatsächlich zusammen, heiraten und zeugen sogar Kinder. Diese scheinen dem Mendel’schen Gesetz zu folgen: Das erste, ein Mädchen ist zu 100% Blobbel, die nächsten beiden sind Mischlinge und das vierte, noch ungeborene wird als reiner Mensch erwartet. Munster aber hat unterdessen genug von seiner Blobbel-Frau. Er sucht die Scheidung. Gleichzeitig macht er – endlich! – Karriere mit der Herstellung eine Blobbel-Produkts für die Menschheit. Zum Schluss haben wir eine für Dick typische paradoxe Situation, indem sich die Blobbel-Frau, um ihre Ehe zu retten definitiv zu einem Menschen hat umwandeln lassen (was offenbar unterdessen möglich ist), während sich Munster aus Geschäftsgründen, weil er nur so wirklich an die zur Produktion seines Verkaufsschlager notwendigen Ressourcen gelangt, definitiv zum Blobbel hat machen lassen.

Ich habe in Kritiken ein paar Mal gelesen, dass die Kurzgeschichte eine Satire auf den Krieg sein soll. Das leuchtet mir nur bedingt ein. Sicher, der Krieg scheint sinnlos gewesen zu sein – Dick verliert kein Wort darüber, wie er ausgegangen ist, und unterdessen scheinen Blobbel und Menschen einigermaßen friedlich, wenn nicht mit- so doch nebeneinander, zu leben. Eher handelt es sich noch um die Darstellung eines Kriegs-Traumas, wie es so viele Soldaten nach ihrem Einsatz in Vietnam aufwiesen. Man könnte auch im schwierigen Verhältnis Blobbel – Mensch eine Darstellung der Rassentrennung und der Rassenpolitik der USA sehen, der Ächtung von Mischehen, zum Beispiel. Selbst eine Satire auf die Psychoanalyse scheint mir nicht ausgeschlossen. Oder in der Schilderung der Beziehung von Munster zu seiner Blobbel-Frau eine Satire auf die Unmöglichkeit, dass sich Männchen und Weibchen je richtig verstehen und finden können – Philip K. Dick war 1964 zum dritten Mal geschieden, wenn ich richtig gezählt habe, und sollte noch zwei Mal heiraten in seinem Leben.

All dies ist möglich. Vor allem aber will mir scheinen, haben wir eine weitere Variation von Dicks zentralem Thema vor uns: Wer oder was bin ich? Was ist meine Identität? Kann oder soll ich mich definitiv für eine Lebensform, für einen Lebensentwurf entscheiden?

Die Graphic Novel

Vor mir liegt nicht irgendeine Ausgabe, sondern eine Graphic Novel. Der Verlag hat der gezeichneten Version allerdings als kleines Beiheft (in Rosa! von allen Farben auf der Welt!) den ganzen Text der Übersetzung beigefügt. Das ist auch gut so, muss doch Katia Fouquet die eine oder andere Handlung Munsters verkürzt wiedergeben oder deren Motivierung außen vor lassen. Nun ist Dick sowieso schon nicht sehr stark in der konsequenten Motivierung der Handlungen seiner Protagonisten – die Verkürzung Fouquets macht diese oft zu einem kleinen Rätselspiel. Im Übrigen erinnert ihr Zeichenstil ein wenig an Andy Warhols plakative Umsetzungen von Superman und andern Heldencomics. Als Hintergrundfarben zieht sie knalliges Rosa und eine Petrol-Farbe allen andern Farben vor, womit sie auch im Zeichenstil den Unterschied zwischen und das Zusammenprallen von Blobbel (rosa) und Mensch (petrol) betont.

Knallbunt und amüsant.

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