Allerdings: Wenig Neues. Der Autor beschreibt die einzelnen Szenarien, die eine Erwärmung um zwei, drei oder gar vier Grad vermutlich verursachen würden, die Auswirkungen auf Ernährung bzw. Trinkwasservorsorgung, auf Meere und Luftverschmutzung, die Gefahr von Naturkatastrophen (an die wir uns – seiner Meinung nach – aus Selbstschutz zu gewöhnen schon bereit sind, vor allem dann, wenn sie nicht in unserer unmittelbaren Nähe stattfinden), jene von „Klimakriegen“ (wozu er auch den Konflikt in Syrien zählt, der tatsächlich (auch) von einer mehrjährigen Dürre befeuert wurde) oder nicht mehr funktionierenden Wirtschaftskreisläufen. Dabei weist er zu Recht auf das Hauptproblem all dieser Prognosen hin, ihre Ungenauigkeit bezüglich der Rückkoppelungseffekte, die in allen wissenschaftlichen Studien mit großer Unsicherheit behaftet sind. Dabei versucht er zwar auf Panikmache zu verzichten, gesteht aber ein, selbst Panik angesichts der auf uns zukommenden Probleme zu verspüren. (Wobei ich Panik in jeder Form für einen schlechten Ratgeber halte, weil sie vernunftgemäße Handlungen im Regelfall erschwert.)
Eine ansatzweise Lösung des Problems kann nach Ansicht des Autors nur über die Politik erfolgen – und zwar durch weltweite Koordination unserer Bemühungen. Auch hier kann man ihm zustimmen, die Schwierigkeit besteht vielmehr darin, dass wir uns gerade von einer solchen länderübergreifenden Zusammenarbeit zusehends entfernen. Wahrscheinlich wird eine solche – wenn überhaupt – erst dann zustande kommen, wenn wir (bzw. mein Alter bedenkend: Meine Kinder und Kindeskinder) die Auswirkungen unseres Tuns auf recht schmerzhafte Weise zu spüren bekommen werden. Tatsächlich ist die Situation derzeit fast aussichtslos: Die Versuche, das ohnehin kaum ausreichende Klimaabkommen von Paris einzuhalten, muten einfach nur lächerlich an (ein aktuelles Beispiel sind die Maßnahmen, die deutsche Regierung vor kurzem in die Wege leitete: Man bestreicht die kleinen Wunden eines Verblutenden mit Heilsalbe), während auf der anderen Seite Nationalisten und Rechtspopulisten sich damit brüsten, die Gefahr völlig zu negieren (wobei die mit diesen verbundene Wirtschaftslobby erst die eigentlich große Gefahr darstellen). Und so ist weder Einsicht zu erkennen noch gibt es auch nur ansatzweise hinreichende Maßnahmen, um dem Temperaturanstieg Einhalt zu gebieten. Ergo wird man wohl in einigen Jahrzehnten das, was wir heute „Flüchtlingskrise“ benennen, in seinem höchst bescheidenen Ausmaß herbeisehnen angesichts der Massen von Menschen, die aus welchen klimatischen Gründen auch immer, sich auf den Weg machen werden (müssen).
Einiges mutet – wie fast immer in solchen Büchern – übertrieben an: Angesichts der auf uns zukommenden Problematik muss man das aber dem Autor nachsehen. Allerdings besteht die Gefahr, dass gerade solche Übertreibung Wasser auf den Mühlen der Verteidiger einer kohlenstoffbasierten Wirtschaft ist: Wie man auch – nicht ganz zu Unrecht – den ersten Bericht des Club of Rome über die Energieverknappung als Beispiel solcher Panikmache anführt. Aus einem falschen Schluss lässt sich aber keineswegs ableiten, dass ähnliche Prognosen auch in Zukunft nicht eintreten werden: Und was die Klimaerwärmung anlangt, ist dies angesichts der vorliegenden Daten kaum aufrecht zu erhalten. Man flüchtet sich vielmehr in obskure Hoffnungen: Dass es die Technik schon richten werde (was auch nicht auszuschließen ist), die Voraussagen nicht eintreffen oder aber eine Übereinkunft doch noch möglich sei. Das ist aber eher wie das Pfeifen im dunklen Wald, Lösungen werden keineswegs vom Himmel fallen, sondern müssen geplant und politisch durchgesetzt werden. Und diesbezüglich gibt es kaum Ursache für Hoffnung.
Neben vielen bekannten Fakten ist der (kurze) Teil über die psychologischen Implikationen der Klimadiskussion insofern beeindruckend, als dass er das Denken der Menschen ausgezeichnet widerspiegelt. Mittlerweile gibt es nicht wenige Weltuntergangspropheten, esoterische Vereinigungen und dergleichen, die – mit mehr oder weniger Ernst – das Johannes-Evangelium bemühen und die Apokalypse zum nächstmöglichen Termin feil bieten. (Manchmal auch gegen entsprechende Entlohnung, man weiß ja nie …) Wobei wir es kaum schaffen werden, uns samt und sonders auszurotten (was für den Rest des Lebens auf diesem Planeten eine Wohltat wäre), aber damit implizit die Selbstgefälligkeit und vermeintliche Wichtigkeit unserer Gattung betonen. Ich glaube an eine derartige Konsequenz nicht, sehr wohl aber daran, dass – wie auch in Kriegen, die niemals alle Menschen vernichten – es eine Vielzahl an Opfern geben wird. Was vor allem deshalb so sehr zum Kopfschütteln Anlass gibt, weil wir diesen Opfergang verhindern könnten mit ein wenig Vernunft und Empathie auch für diejenigen, denen wir nicht alltäglich begegnen. Aber eine solche Weitsicht wurde uns von der Evolution versagt, weil wir ihrer bislang nicht bedurften. Könnte also doch ziemlich schief gehen …
David Wallace-Wells: Die unbewohnbare Erde. Leben nach der Erderwärmung. München: Ludwig 2019.