Else Lasker-Schüler: wir beide

Liebesgedichte…

Else Lasker-Schüler war ein große Liebende vor dem Herrn – ob nun im realen Leben oder in ihren Gedichten. Liebe war für sie so etwas wie ein unwiderstehbares Elementarereignis – ob nun im realen Leben oder in ihren Gedichten. Im Laufe ihres Lebens liebte sie viele Männer. Und für alle schrieb sie Liebesgedichte. Einige davon sind im vorliegenden schmalen Auswahl-Bändchen vereint.

Wenn man Lasker-Schülers Gedichte liest, fällt zweierlei auf. Zum einen der Umstand, dass sie ihre Geliebte mit äußerst phantastischen Namen zu bezeichnen pflegte. (Diese Namen verwendete sie meines Wissens auch im realen Leben.) Apollon, Giselheer, Tristan, Herzog von Leipzig etc.: aus aller Herren Länder, aus verschiedensten Mythen und Mythologien sind diese Namen genommen, auch aus privaten. Giselheer übrigens war ihr wohl bekanntester Geliebter: Gottfried Benn. Alle anderen Männer sind nur dadurch bekannt, dass sie von Else Lasker-Schüler geliebt worden sind, mit Ausnahme vielleicht noch des ersten Mannes, den sie geheiratet hat, Berthold Lasker. Der war seines Zeichens nicht nur Arzt, sondern auch Schachmeister in Berlin, und vor allem der ältere Bruder des späteren Weltmeisters im Schach, Emanuel Lasker. Weder mit Medizin noch mit Schach scheint Else Lasker-Schüler allerdings viel anfangen gekonnt zu haben.

Als zweites fällt dem Leser auf: Ihre Liebesgedichte, unabhängig davon, zu welcher Zeit sie entstanden sind, zeichnen sich dadurch aus, dass die Dichterin immer wieder dieselben Farben darin verwendet: Am häufigsten Rot, Gold und – nein, nicht Schwarz – Blau. Tendenziell (will sagen: Else Lasker-Schüler komponierte ihre Gedichte nicht mit dem Kopf, rational – wie zum Beispiel Benn – sondern steckte sehr viel ihrer Gefühle hinein, die sich dann (auch) in den verwendeten Farben ausdrückten, was natürlich impliziert, dass die Nuancen der Bedeutungen dieser Farben auch schwanken können), tendenziell also steht Rot für die Liebe, auch, ja vor allem, für den sinnlichen Aspekt der Liebe, den Else Lasker-Schüler immer wieder akzentuierte, ohne je pornografisch oder auch nur ‚erotisch‘ zu werden. Blau ist die Farbe des Unendlichen in Zeit und Raum. Gold schließlich ist die Farbe der Sonne, der Wärme.

Man rechnet Else Lasker-Schüler der Avant-Garde zu, dem Expressionismus, und im Großen und Ganzen stimmt das auch. Mit ihrem Hang zu privaten Mythologien stellt sie aber auch eine Ausnahme nicht nur in ihrer Zeit dar. Selten war ein mythischer Orient mit derart schillernden Gestalten angefüllt, selten mit derart viel Liebe. (Wobei die Dichterin Sätze wie: „Ich liebe dich!“ erst in späteren Gedichten offen verwendet, in den frühen bleibt es bei Andeutungen.)

Für Lyrik-Fans ein Muss.


Else Lasker-Schüler: wir beide. Die schönsten Liebesgedichte. Ausgewählt und mit einen Nachwort von Eva Demski. Frankfurt am Main: Büchergilde Gutenberg, 2020. (Dieses Buch erschien erstmals 2002 im Jüdischen Verlag unter dem Titel »Dein Herz ist wie die Nacht so hell.« – © für die Gedichte: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1996. – © für diese Zusammenstellung und das Nachwort: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2002)

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