C. S. Lewis: Jenseits des schweigenden Sterns [Out of the Silent Planet]

Als Alwin Ransom in den Sommerferien des Jahres 1929 eine Wanderung durch die englischen Midlands unternimmt, weiß er noch nicht, dass dies der Anfang sein wird einer Trilogie, die seinen Namen tragen sollte. Ransom ist Professor für Sprachwissenschaft an der University of Cambridge. Er ist Mitte 30, Einzelgänger und unverheiratet. Heute Abend ist er in Eile, denn das nächste Dorf ist noch weit. Im letzten Gasthaus, wo er eigentlich wie schon öfters auf seinen Wanderungen die Nacht verbringen wollte, hat ihn die neue Wirtin ohne Angabe von Gründen nicht aufgenommen. Trotz seiner Eile macht er aber noch einen Umweg in ein etwas abseits liegendes Landhaus, um den Sohn einer armen verwitweten Kleinbäuerin dort zu holen und nach Hause zu schicken, denn die beiden Männer, die das Haus bewohnen, sind der Bäuerin unsympathisch und sie ahnt Schlimmstes. Insgeheim hofft Ransom wohl auch darauf, die Nacht dort verbringen zu dürfen. Schon fast gewaltsam dringt er in das Anwesen ein. Es stellt sich heraus, dass der eine der Bewohner Devine ist, ein Schulkamerad und später auch Studienkollege Ransoms. Heute ist er – an einer anderen, ungenannt bleibenden Universität – ebenfalls Professor. Devine war Ransom schon an der Schule, und später auch im Studium, äußerst unsympathisch. Der zweite Mann heißt Weston, und was er genau treibt, bleibt ungeklärt. Devine kredenzt seinem ehemaligen Studiengefährten einen Whisky Soda als Begrüßungstrunk. Doch das Getränk enthält ein Betäubungsmittel, und als Ransom wieder aufwacht, findet er sich in einer winzigen Kabine eines seltsamen Gefährts aus Stahl wieder. Es stellt sich heraus, dass er sich zusammen mit Devine und Weston in einem Raumschiff befindet, auf dem Weg zum Planeten Malakandra. Seine beiden Entführer nennen den Planeten nie anders als so – es handelt sich offenbar dabei um den Namen, den der Himmelskörper in der Sprache der Einheimischen trägt.

Denn der Planet hat Einheimische, und diese haben von Devine und Weston, als sie das erste Mal dort waren, verlangt, dass sie einen von ihrer Rasse brächten, den sie den Göttern opfern könnten. So jedenfalls haben sie die beiden irdischen Abenteurer verstanden. Die Motive, aus denen die beiden nach Malakandra reisten, sind übrigens völlig verschiedener Natur. Devine will den Lebensraum der Menschheit ausdehnen – und sei es auf Kosten anderer Völker auf fremden Planeten. Er hält die Menschheit für berechtigt zu solchen Taten, da sie – als technisch überlegene Zivilisation – vor anderen Wesen den Vorrang haben soll. (Tatsächlich weisen die Einheimischen von Malakandra auf den ersten Blick bestenfalls die einfache Kultur von Hirten und Ackerbauern auf.) Weston hingegen hält Devines Motive für dummes Zeug. Ihm geht es ganz einfach darum, die riesigen Goldvorräte auf Malakandra abbauen und nach Hause tragen zu können. Das ist einmal die – ich möchte sagen „weltliche“ – Ausgangssituation dieses Romans: eine Kritik am kolonialistischen Treiben (Großbritanniens in der Person Devines, ursprünglich Spaniens und Portugals in der Person Westons) der so genannten „Weißen“.

Den Inhalt des Romans brauche ich nicht zusammen zu fassen. Wer eine Zusammenfassung möchte, wird diese problemlos im Internet finden. Nur so viel sei gesagt, dass Ransom nach der Landung seinen beiden Entführern entkommt. Er flüchtet durch bizarre Wälder, bis er von einem Hross (so nennt sich eine der drei intelligenten Arten von Malakandra) gefunden und in sein Dorf gebracht wird. Seine linguistische Ausbildung ermöglicht es Ransom, die Sprache der Hrossa sehr rasch zu begreifen und zu erlernen. Es stellt sich im Laufe des Romans heraus, dass – anders als von Ransom zunächst befürchtet – keine der drei intelligenten Arten in irgendeiner Form aggressiv ist oder den Wunsch hegt, Ransom zu töten, sei es nun rituell oder einfach so. (Nach allem, was wir erfahren, leben die drei Arten sogar vegetarisch, wenn nicht vegan. Der Genuss von Fleisch scheint für Lewis mit einem gewissen Aggressionspotential verbunden zu sein. Vielleicht hat er nicht einmal Unrecht mit dieser Ansicht.) Dass nach einem Menschen verlangt wurde, hing ganz einfach damit zusammen, dass mehr und weitere Information über die Erde gesucht wurden. Denn von dem, was dort geschieht, wissen die Wesen auf Malakandra nichts. Die Gründe dafür werden im Verlauf des Romans erklärt.

Es ist nun so, dass, auch wenn Kiplin immer mal wieder zitiert wird, die „weltliche“ Ausgangssituation Nebensache für den Roman ist. Lewis müsste nicht Lewis sein, wenn er nicht eine ganze, ans Christentum angelehnte Mythologie erfinden und einbauen würde. Auf Malakandra wohnen nämlich drei von einander in Charakter und Körperbau völlig verschiedene intelligente Arten aus Fleisch und Blut. Zusätzlich „wohnt“ dort auch eine Art Geisterwesen, die Eldil. Man muss sich diese Wesen wohl als etwas irgendwo zwischen den Engeln der landesüblichen christlichen Vorstellung einerseits und Elfen (nicht im Sinne Tolkiens, sondern Doyles!) andererseits vorstellen. Und es gibt noch ein anderes Geisterwesen, genannt Oyarta. Der stellt mehr dar als ein Eldil, wird aber auch von den Bewohnern von Malakandra ganz klar unterschieden von Gott (den es auch noch gibt, und der Maleldil genannt wird). Es stellt sich heraus, dass jeder Planet des Sonnensystems (weiter geht Lewis nicht) einen Oyarta hat. Die Oyarta stellen eine Art Stellvertreter Gottes auf dem Planeten dar, allerdings ohne direkte Weisungsbefugnis. Ihre Anwesenheit ist eher so etwas wie das Schmieröl im Getriebe eines gut funktionierenden Planeten. Sie sind untereinander in ständigem Kontakt. Nur ein Planet bleibt dabei außen vor: Der Oyarta der Erde hat versucht, mehr darzustellen, als das von Gott gesandte Schmiermittel eines einzelnen Planeten. Beinahe ist es ihm sogar gelungen, das ganze Sonnensystem unter seine Herrschaft zu bringen. Mit Müh und Not, und nicht ohne große Verluste (Malakandra zum Beispiel erlitt in diesen Kämpfen eine Art Klimakatastrophe, der eine weitere, vierte, intelligente Art von Bewohnern zum Opfer fiel), ist es den übrigen Oyarta gelungen, den irdischen auf seinen Planeten zurück zu werfen und dort unter Verschluss zu halten. Offenbar aber sind wir nun in einem Jahr, in dem große Umwälzungen und Katastrophen sich ereignen werden, die auch der Oyarta von Malakandra nicht im Voraus weiß. (Die Jahre des Weltalls, der Oyarta, sind natürlich nicht den irdischen Jahren gleich zu setzen!) So deutet die plötzliche Anwesenheit der Menschen auf Malakandra darauf hin, dass es dem Oyarta der Erde (vulgo: Luzifer) gelungen ist, die Blockade zu durchbrechen. (Allerdings erfährt der Oyarta von Malakandra zu seinem Erstaunen aus den Erzählungen Ransoms, dass offenbar Maleldil und andere Eldil als die von Malakandra immer wieder Kontakt aufgenommen haben mit Menschen der Erde – die Erde also auch in der Gegenrichtung nicht so völlig abgeschirmt war, wie das der malakandrische Oyarta gedacht hatte.

Für dieses Mal wird der Angriff Luzifers noch einmal abgewehrt. Devine und Weston schickt der malakandrische Oyarta in ihrem Raumschiff zurück auf die Erde; Ransom, der auf Malakandra bleiben dürfte, entschließt sich freiwillig, ihr Schicksal zu teilen. Auf dem Rückweg sieht er den Planeten Malakandra langsam in der Sichtluke des Raumschiffs kleiner werden und in einem bestimmten Abstand glaubt er nun auch, in der Anordnung der tiefen Täler, von denen er eine Zeitlang eines mit den Hrossa bewohnt hatte, das geometrische Spinnennetz zu erkennen, dass schon Schiaparelli auf dem Mars erblickt hatte. (Denn – Ransom hatte das schon vor längerem herausgefunden – es war dieser Planet, auf den er entführt worden war.)

Die Geschichte wird in der dritten Person, aber immer aus der Sicht und mit dem aktuellen Wissen Ransoms erzählt. Erst im Abspann (sozusagen) taucht ein Ich-Erzähler auf: Es ist Lewis selber in der klassischen Rolle des Herausgebers von Ransoms Reisebericht. Er ist mit Ransom in Kontakt gekommen, weil er eine Frage hatte in Bezug auf die Nennung eines Oyarta, die er in einem alten scholastischen Text gefunden hatte. Dies veranlasste Ransom (dessen Name jetzt als Pseudonym erklärt wird), Lewis mitzuteilen, was er erlebt und erfahren hatte. Beide sind sich dessen bewusst, dass sich bald noch mehr, noch Größeres ereignen würde – so der ‚Herausgeber‘ in seinem Nachwort. Der Boden für die Bände 2 und 3 ist vorbereitet.

Ich kann den Roman nicht guten Gewissens zur Lektüre empfehlen. Obwohl er – so viel sei vorweg genommen – von der ganzen Trilogie noch der ‚harmloseste‘ ist, am nächsten auch einem ‚klassischen‘ Sience-Fiction- oder Fantasy-Roman, wimmelt auch er von christlicher Allegorie. (Ja, Lewis ist nicht nur bei George MacDonald zur Schule gegangen, sondern auch bei dessen Lehrer, John Bunyan. Und bei weiteren: Milton darf bei einem Professor für Englische Literatur des Mittelalters und der Renaissance , der Lewis von Haus aus war, nicht außer Acht gelassen werden. Nicht christlich allerdings: H. G. Wells, den er oft und gerne als eine Art Negativfolie verwendet.) Lewis ist meines Wissens der erste, der christliche Allegorien auf andere Himmelskörper als die Erde transponierte. Diese Transposition in eine völlig fremde Umgebung gibt der Sache einen Reiz, den sie als rein irdische nicht hätte. Auch muss ich gestehen, dass vor allem die Schilderung der Natur, der Pflanzen, auf Malakandra gelungen ist. Andererseits ereignet sich den ganzen Roman hindurch eigentlich wenig bis gar nichts. Es wird meist und viel geredet. (Und dann macht am Ende des Romans Pseudo-Ransom seinem Pseudo-Herausgeber sogar einen kleinen Vorwurf daraus, dass dieser den Großteil seiner Auslassungen über die Bildung der malakandrischen Sprache gestrichen habe!) Es braucht wohl eine gewisse Liebe für Bizarrerien auch geistig-theologischer Art, um das Buch goûtieren zu können.

Ansichten seit Veröffentlichung bzw. 17.03.2025: 1

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