Aristoteles: Kategorien (Des Organon erster Teil)

Die Kategorien, das erste Buch des Organon, waren wohl eher eine Art Handbuch des Philosophen zum Schulgebrauch, Notizen zu einer Vorlesung oder einfach eine vorläufige Materialsammlung als ein zur Veröffentlichung gedachter und entsprechend ausgeführter Text. Auch gab es für Aristoteles selber keine „Organon“ genannte Zusammenstellung seiner Texte zur Logik. Diese Bezeichnung für die traditionell an erster Stelle des Kanons stehenden sechs Bücher seiner mehr oder weniger logischen Schriften entstand erst später. Dennoch hat die Zusammenstellung eine gewisse Berechtigung. Alle Schriften behandeln zumindest teilweise logische Themen (aus heutiger Sicht „logisch“ in einem sehr weiten Sinne allerdings). Es finden sich sogar Verweise zwischen einigen dieser Schriften aufeinander. Vor allem aber lassen sie sich alle außerhalb des aristotelischen Wissenschaftssystems ansiedeln und als methodologisch und propädeutisch charakterisieren, wenngleich sie das nicht zu einem bloßen Werkzeug macht, vielmehr sind ihre Inhalte auch Gegenstand der Philosophie.

Die Kategorien nun behandeln Aussageformen in Bezug auf etwas Seiendes. Aristoteles unterscheidet dabei nicht immer grammatisch-linguistische (also im weiten Sinn eigentliche logische) Aussagen von ontologischen (also die Wesenheit der Dinge betreffenden Aussagen). Aber erste Ausflüge in eine Aussagenlogik sind zu finden, auch in eine Wahrheitstheorie, wenn der Philosoph untersucht, welche Aussagen warum oder wann als ‚wahr‘ oder als ‚falsch‘ bezeichnet werden können bzw. müssen. Anders als Platon, der die Ideen als oberste Gattung betrachtet (und damit als ontologisch prioritär), erklärt Aristoteles in den Kategorien das Individuum zur Grundlage alles Seienden.

Wir finden in diesem Text ein bisschen von allem: Sprachtheorie und -philosophie, Grammatik, Metaphysik und Wissenschaftstheorie. Mit den Kategorien hat Aristoteles eine neue Entität ins Philosophieren eingeführt, die sich als sehr nützlich und fruchtbar erweisen sollte. Allerdings wurde sie dann auch bald von einem Mittel zum Zweck – insbesondere die Scholastik tat sich hierin viel zu Gute. Aber auch noch Kants Kritik der reinen Vernunft leidet darunter, dass der Königsberger Kategorien der Erkenntnis ähnlich systematisiert und in ein elegant-gleichförmiges Zahlenschema quetschen will, wie es Aristoteles bzw. seine Nachfolger gemacht haben. Dies oft auf Kosten der Stringenz, wenn Kategorien gebildet werden, die sich nur im Wortlaut, nicht in der Sache unterscheiden.

Dennoch durchaus ein Büchlein, das auch heutige (beginnenden und fortgeschrittene) PhilosophInnen lesen sollten.


Vor mir liegt eine mir vor Jahrzehnten zugelaufene, mittlerweile über 100 Jahre alte antiquarische Ausgabe:

Aristoteles: Kategorien (Des Organon erster Teil). Vorangeht des Porphyrius Einleitung in die Kategorien [schon bedeutend schulmäßiger – sprich: scholastischer – geraten als das Original, ohne fürs Verständnis der Lesenden viel zu bringen]. Neu übersetzt und mit einer Einleitung und erklärenden Anmerkungen versehen von Dr. theol. Eug. Rolfes. Leipzig: Felix Meiner, 1920. (= der philosophischen Bibliothek Band 8) [Dass der Theologe in Aristoteles‘ Behandlung des Postprädikaments „früher“ eine logische Rechtfertigung der göttlichen Schöpfung der Welt zu finden glaubte, sei nur am Rande bemerkt.]

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