Gustave Flaubert: Reisetagebuch aus Ägypten

Als er ein junger Herr war, Flaubert, achtundzwanzig Jahre alt, achtzehnhundertneunundvierzig, ein Sohn aus gutem Haus, von seinem Wesen ein Dichter, nach seiner sozialen Stellung und einem abgebrochenen Rechtsstudium ein allzu früher Rentier, in der Karriere gescheitert, ein Mann, der Muße mit dem Alibi des literarischen Ehrgeizes, als er sich, schicksalshaft von seinem Dämon, zufällig in seinem Freund Maxime du Camp verführt, nach dem dunklen Erdteil einschiffte, zu den alten ägyptischen , arabischen, karthagischen Reichen, der untergegangenen Götterwelt, der Wiege der Geschichte und den Grabkammern versunkener Kulturen, reisten Franzosen im Allgemeinen nicht.

Wolfgang Koeppen im Nachwort zu meiner Ausgabe – einem Reprint aus der Reihe Bibliothek klassischer Reiseberichte, herausgegeben von Dr. Georg A. Narciss

Was Koeppen später noch hinzufügt: Flaubert mochte schon damals seinem Wesen nach ein Dichter gewesen sein, aber seine ersten literarischen Versuche scheiterten schon an der Kritik seiner Freunde. Erst nach dieser Reise schloss er sich – einem Mönch gleichend – von der Umwelt ab und begann wirklich zu dichten. Dieser mönchische Raptus erstaunt um so mehr, als es im vorliegenden Bericht nur so wimmelt von mehr oder weniger (meist mehr) expliziten Schilderungen sexueller Handlungen, auch des Berichtenden selber.

Im Übrigen ist Flauberts Reisebericht in seiner Art sehr ungewöhnlich. Er vermittelt den Eindruck, dass Flaubert, seinem fotografierenden Freund ähnlich, einfach eine Kamera auf das hält, was gerade vor ihm ist. Flaubert berichtet – meist unbeteiligt. Ob es sich um alte ägyptische Tempel oder Pyramiden handelt, die Prügelstrafe oder die Sklaverei (beides in Flauberts Ägypten noch sehr präsent) oder auch Tänzerinnen / Prostituierte (ebenfalls sehr präsent). Selten erfahren wir etwas über den Berichterstatter. Sein Ausruf, dass er nun genug Tempel und Pyramiden gesehen habe und sie ihn nur noch langweilen– ungefähr in der Mitte seiner Reise – kommt so für die Lesenden sehr plötzlich und unerwartet. Er hinterlässt gerade deswegen einen bleibenden Eindruck. Berichterstatter ist Flaubert auch, wenn er Leute auf der Strasse schildert oder Gastgeber unterwegs. Berichterstatter ist er selbst dann, wenn er erzählt, wie er sich mit seinem Freund und einem Manuskript im Zelt auf einem Teppich lagert, wo dann die Flöhe auf dem Manuskript spazieren gehen.

In dieser Form der Berichterstattung zeichnet sich bereits der Romancier Flaubert ab, der sich dann allerdings vor allem auf die genaue Schilderung des Gefühlslebens seiner ProtagonistInnen konzentriert.

Fazit: Koeppens sehr pathetische Schilderung der Welt, in die Flaubert eintauchen sollte, ist in ihrem Pathos sehr einseitig auf Seiten des späteren Deutschen. Beim Franzosen ist wenig davon zu spüren. Die trockene Berichterstattung hinterlässt heutige Lesende etwas ratlos. Als Reisebericht ist dieses Buch somit nur bedingt genießbar. Land und Leute, wie wir sie im Text kennen lernen, sind zwar detailliert gezeichnet, könnten aber im Grunde genommen auch in der heimatlichen Normandie Flauberts zu finden sein. Als Studien- und Skizzenheft des späteren Romanciers ist das Werk aber dennoch sehr interessant. Mehr kann man nicht dazu sagen.

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