Siegfried Lenz: Florian, der Karpfen

Zeichnung eines Karpfens auf hellgrünem Hintergrund von Marie Abramowicz. - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Florian, der Karpfen wurde, wenn ich das richtig verstanden habe, in den 1950ern im Radio als Hörspiel (?) gesendet. Der Text ist dann verschollen, auch Lenz scheint sich nicht mehr an ihn erinnert zu haben. Erst jetzt, wie sein Nachlass nach und nach durchgesehen wird, ist er wieder aufgetaucht. Allerdings nicht als Hörspiel sondern in ganz normaler Prosa – ein Märchen.

Der Ton, den Siegfried Lenz in diesem Märchen anschlägt, ist leicht ironisch gehalten, ich bin versucht zu schreiben: locker-flockig. In England würde man sagen: Er hat den Text ‚tongue in cheek‘ verfasst. Will sagen: Lenz nimmt weder sich, noch die Handlung, noch die Gattung ‚Märchen‘ hier ganz Ernst. Und das tut dem Ganzen überaus gut. Die Haltung des Erzählers zu seiner Geschichte, die ihrerseits (noch ein Versuch einer Beschreibung) etwas Gemütlich-Absurdes an sich hat, erinnert mich an Lenz’ ungefähr zur selben Zeit entstandene Sammlung von 20 Erzählungen So zärtlich war Suleyken, nur dass Lenz hier nicht noch Anlehnungen an einen Dialekt verwendet, um die Atmosphäre zu verdichten. (Wenn und falls ich diese Sammlung im Durcheinander, das ich meine Bibliothek nenne, wieder finde, stelle ich sie hier sicher noch vor.)

Im Übrigen mochte Lenz offenbar die Fische – zunächst als Fischer, später als Tierfreund. Vor allem die Karpfen scheinen es ihm angetan zu haben. Das wundert mich nicht; die Koi, eine japanische Karpfen-Art, sind dafür bekannt, dass sie gegenüber Menschen sehr zutraulich werden, sich sogar kraulen lassen und es genießen. So ist auch der Karpfen in dieser Geschichte sehr positiv gezeichnet. Meiner Ausgabe ist am Ende ein Gedicht Die Fische angefügt, in der das lyrische Ich sich wünscht, ein Fisch zu sein und sich vorstellt, welch andere Dinge es als Fisch sehen und hören könnte – nämlich schon fast eine Sphärenmusik.

Noch ein Wort zu meiner Ausgabe. Sie enthält wirklich nur das Märchen von Florian und oben genanntes Gedicht und ist speziell für die Büchergilde erstellt worden. Die etwas über 50 Seiten sind großzügig und auf spezielle Art gesetzt, sowie mit vielen, manchmal auch doppelseitigen Federzeichnungen der Illustratorin Marie Abramowicz aufgelockert, sofern man bei diesem Satzspiegel überhaupt von ‚Auflockerung‘ sprechen muss. Eine kleine bibliophile Kostbarkeit also. Ich kann Ausgabe wie Text nur empfehlen.

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