Karl-Otto Apel: Der Denkweg von Charles S. Peirce

Gelbe Schrift auf violettem Hintergrund: Auf drei Zeilen, erste Zeile ist angeschnitten, steht: "Charles S. Peirce // Eine Einführung in den // amerikanischen Pragmatismus". - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Ursprünglich diente diese Publikation als Einführung in die Zusammenstellung der Schriften zum Pragmatismus und Pragmatizismus von Charles Sanders Peirce. Diese Zusammenstellung erschien zunächst in zwei Bänden (unter den Titeln Zur Entstehung des Pragmatismus und Vom Pragmatismus zum Pragmatizismus), wenn ich mich nicht täusche 1974, und war ein großer Erfolg. Apels Einführung war entsprechend aufgeteilt. Wohl weil die Einführungen ungefähr ebenso lang geraten war wie die gesammelten Aufsätze Peirce’, entschied man sich bei Suhrkamp für die Neuauflage von 1976 nunmehr die Aufsätze Peirce’ in der Reihe ‚Theorie‘ unter dem Titel Schriften zum Pragmatismus und Pragmatizismus zu veröffentlichen, während Apels Einführung als ‚suhrkamp taschenbuch wissenschaft‘ (mit der N° 141) bereits im Jahr 1975 neu erschien. In der 2. Auflage von 2016 ist dieses Buch immer noch als Print on Demand bei Suhrkamp erhältlich.

Nachdem ich dieses vorausgeschickt habe, wird es wohl niemand wundern, wenn ich sage, dass Apel im Denkweg von Charles S. Peirce dieselben beiden Groß-Epochen in seinem Werk kennt, in die er Peirce’ Werk in der von ihm herausgegebenen Aufsatzsammlung gliedert, und die er – wiederum wie in der Ausgabe der Schriften – ihrerseits in zwei Unter-Epochen aufteilt. Wir finden hier also grob Folgendes:

  • 1. Der philosophische Hintergrund der Entstehung des Pragmatismus bei Charles Sanders Peirce. Peirce und die Tradition, oder: von der Erkenntniskritik zur Sinnkritik [Peirce’ Unzufriedenheit mit Kants Ding an sich und dessen Kategorien; der Rückgriff auf die Logik der Scholastik, vor allem Duns Scotus; der Übergang von einer Erkenntniskritik zu einer Sinnkritik oder Semiotik (und Wissenschaftstheorie)]
  • 2. Der philosophische Hintergrund der Entstehung des Pragmatismus bei Charles Sanders Peirce. Die Entstehung des sinnkritischen Pragmatismus (1871-1878) [wo zur Auseinandersetzung mit Kant eine mit einem weiteren Idealisten, Berkeley, kommt]
  • 3. Peirces Denkweg vom Pragmatismus zum Pragmatizismus. Vom Pragmatismus zur Metaphysik [wo Peirce zeitweilig eine Phänomenologie als Ausweg aus seinen Dilemmen ausprobiert hat]
  • 4. Der philosophische Hintergrund der Entstehung des Pragmatismus bei Charles Sanders Peirce. Vom Pragmatismus zum Pragmatizismus (ca. 1898-1914) [wo Peirce die wissenschaftliche Wahrheit nunmehr in einem Konsens der Wissenden / Wissenschaftler zu verorten suchte, weil metaphysisch die Wahrheit nicht festzulegen war. Das Problem, dass sich dieser Konsens dann wiederum doch auch an etwas Übergeordnetem orientieren muss, löste Peirce so, dass er via Hegel und Schelling zurückfand zu – Platons Aussage, dass das Wahre auch das Schöne, auch das Gute sei.]

Apel gefällt vor allem der vierte und letzte Abschnitt in Peirce’ Denken – der Teil also, der im Allgemeinen von den Pragmatisten (James, Dewey und allen späteren wie z.B. Charles W. Morris) ebenso links liegen gelassen wird wie von den Logikern, Mathematikern oder Wissenschaftstheoretikern. Kein Wunder, kann sie doch Apels eigene Konzepte einer Diskursethik bzw. einer (idealen) Kommunikationsgesellschaft stützen (die bei Apel wohl teilweise auch von Peirce hergeleitet sind). Dass der Grat zu einem ‚Anything goes‘ hier ungeheuer schmal geworden ist, hat Peirce sicher nicht gesehen, und ob Apel sich dessen bewusst war, wage ich zu bezweifeln. Jetzt, gegen Ende des ersten Viertels des 21. Jahrhunderts wissen wir, wie viele Denker und Politiker hier abstürzen und wie viele Gefolgsleute sie mitreißen. Platon wie Pierce und wohl auch Apel waren der Meinung, dass diesen Weg nur die ‚Fähigen‘ beschreiten sollten – ohne angeben zu können noch zu wollen, wie diese Fähigkeit von wem festgelegt werden kann oder soll. Apels Letztbegründung, die als konstituierendes Merkmal die ‚petitio principii‘ und den Selbstwiderspruch aufweist, mündet letztlich in eine Beliebigkeit der Basis jeden Argumentierens – ins Postfaktische einer alternativen Wahrheit nicht nur der US-amerikanischen Politik von heute.


Karl-Otto Apel: Der Denkweg von Charles S. Peirce. Eine Einführung in den amerikanischen Pragmatismus. Frankfurt/M: Suhrkamp, 22016. (= stw 141)

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