Henry Purcell, George Benjamin: „Three Consorts“ transkribiert für Kammerorchester / Ralph Vaughan Williams: „The Lark Ascending“ Romanze für Violine und Orchester / Wolfgang Amadeus Mozart: Rondo für Violine und Orchester C-Dur, KV 373 / Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 4 e-Moll, op. 98

Teil einer klassizistischen Fassade. Hinter Säulen eine hohe Holztüre, davor der oberste Teil des Treppenaufgangs.

Heute abermals im Konzert – und es war alles ein bisschen anders. Das ist an und für sich weder gut noch schlecht, und hier auch nicht wertend gemeint. An Äußerlichkeiten hatte sich zum Beispiel meine Bekleidung geändert; heute war ich eher einer der am schlechtesten angezogenen Männer. À propos Männer: Die Frauen waren zwar gestern im Publikum leicht in der Überzahl, aber es fand sich doch eine beträchtliche Anzahl Vertreter des männlichen Geschlechts ein – Typ ‚Asket‘: eher ein bisschen unter- als übergewichtig, offenbar regelmäßiger Jogger, der hin und wieder auch etwas für seine ästhetische Gesundheit tut, Nichtraucher, aber Cüplitrinker. Ich für meinen Teil trank heute ebenfalls kein Bier sondern Wein. Vor dem Konzert einen leicht sauren Weißwein aus dem Zürcher Unterland, in der Pause einen bedeutend besseren Federweißer, AOC Zürich. Ja, in der Stadt Zürich wird eigener Wein produziert, auch wenn sie nicht gerade dafür bekannt ist. Und, wie gesagt, der Wein ist sogar gut. Dafür gibt es diesmal Abzüge beim verkaufenden Personal: Die junge Frau, die mir den Weißwein kredenzte, hat sich mir gegenüber, wie ich finde, recht patzig benommen. Die Kollegin in der Pause machte bügelte den Patzer allerdings wieder aus.

Die Musik war heute männlich geprägt, was vielleicht daran liegt, dass der Dirigent, der zugleich der Solo-Geiger war (Roberto González-Monjas), männlichen Geschlechts ist.

Wir begannen mit Henry Purcells Three Consorts, von George Benjamin transkribiert für Kammerorchester. Ich bin, offen gestanden, mit der Musik der Renaissance zu wenig vertraut, um viel darüber sagen zu können. Die Transkription und dann auch die Interpretation durch González-Monjas zeichnete sich aber durch ein selten harmonisches Gleichgewicht zwischen dem Blech und den Streichern aus. Meist übertönt ja das eine das andere, oder sie kommen bestenfalls in den Tutti gleichberechtigt zum Einsatz, und viele solche Tutti sind dann halt einfach nur – man verzeihe meinen profanen Aus- und Eindruck – Lärm.

Im zweiten Stück, The Lark Ascending (Die aufsteigende Lerche) von Ralph Vaughan Williams trat González-Monjas als Solist auf. Das Stück beschreibt den Morgengesang einer Lerche, von den ersten, noch müden Fiepsern bis hin zum melodiös begleiteten Aufstieg in den Himmel, wo man sie dann noch eine Weile jubilieren hört. Hier zeigte sich González-Monjas als äußerst feinfühliger Geiger. Zwar, in den Forte-Passagen unterliefen ihm hin und wieder Kiekser, aber die leisen Töne des Stücks scheinen ihm zu liegen. Präzise und rasch folgen sie aufeinander – und das bei Vierundsechzigstel-Noten! Der Applaus für ihn war in der Summe völlig verdient.

Danach Mozart. Mozart ist Mozart – muss man da viel dazu sagen? González-Monjas gleichzeitig als Solist und Dirigent hatte ebenfalls alles bestens im Griff. Leider habe ich mich vor Jahren an Mozarts Orchestermusik ein bisschen überhört, sonst wäre mein Genuss wohl noch größer gewesen.

Nach der Pause Johannes Brahms. Die Sinfonie Nr. 4 e-Moll hat er geschrieben zu einer Zeit, als er in heftigem Streit stand mit der so genannten Neudeutschen Schule, einer im Gefolge von Franz Liszt entstandenen Bewegung, die nach einer Weiterentwicklung der Musik auf den von Liszt und Wagner vorgegebenen Pfaden verlangte. Wie bei der literarischen ‚Querelle des anciens et des modernes‘ ein paar Jahrhunderte früher, stehen wir auch hier vor dem Phänomen, dass sich die Kunst zwar im Sinne der ‚modernes‘ (oder eben der Neudeutschen) entwickelt hat, aus der eigentlichen Zeit des Streits aber vor allem die ‚anciens‘ (oder eben Johannes Brahms) im Bewusstsein des Publikums weiterleben. Dabei hat Brahms durchaus selber auch experimentiert. Vor allem der dritte Satz, der abrupt in C-Dur einsetzt, und sich durch den Einsatz eher ungewöhnlicher Instrumente auszeichnet (prominent: das Triangel, im Hintergrund – mir vor allem deswegen aufgefallen, weil die Musikerin, die das Instrument spielte, gerade in meinem Blick aufs Orchester saß, während der beiden ersten Sätze die Hände in den Schoss legen durfte / musste – ein Kontrafagott). Ich bin wohl eher der Dur- als der Moll-Typ; jedenfalls gefiel mir der dritte Satz am besten.

Dann ein verdienter, langer Schlussapplaus für Dirigent und Orchester. Roberto González-Monjas ist definitiv ein Liebling dies hiesigen Publikums – nicht zu Unrecht.

Das nächste Konzert dann erst im nächsten Jahr.

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