Heute ohne Blech! Das war offenbar das Motto der ersten Hälfte des gestrigen Konzertabends. Das Orchester war klein gehalten, schon fast Kammermusik. Nun, mit dem Fagott als Soloinstrument ist es auch ein bisschen sinnlos, wenn man die sehr spezielle Stimme dieses Instruments mit Blech übertönt. (Nach der Pause, in der zweiten Hälfte, kamen dann ein oder zwei Trompeten hinzu – und ein Schlagzeug. Dafür ging der Mann mit der Laute und der klassischen Gitarre in der Pause nach Hause. Im Übrigen standen heute alle Violonist:innen, was eine Idiosynkrasie des Solo-Geigers und Konzertmeisters des heutigen Abends, Bogdan Božović, gewesen sein könnte, war es für ihn doch eindeutig einfacher, das Orchester stehend zu regieren. Denn ein eigentlicher Dirigent fehlte.)
Nun hatte ich im im Vorgang keine Zeit mehr gehabt, meine Mails zu checken, und deshalb erst vor Ort erfahren, dass der vorgesehene Fagottist Sergio Azzolini krankheitshalber Forfait geben musste. An seine Stelle trat Valeria Curti, die nicht nur eine seiner Master-Schülerinnen gewesen war, sondern auch, neben anderen Tätigkeiten, auch sonst als Solistin des Orchesters fungiert und mittlerweile selber am Konservatorium in Bern lehrt. Um es gleich zu sagen: Sie erledigte ihre Aufgabe hervorragend.
Allerdings musste das Programm geändert werden, da sie offenbar nicht die gleichen Stücke in ihrem Solo-Repertoire hat wie ihr ehemaliger Lehrer. Das macht aber nichts; der Vivaldi blieb uns erhalten (allerdings mit einem anderen Konzert), und die übrigen Komponisten kannte ich so oder so nicht – jedenfalls nicht als Komponisten. Rameau, der als Ersatz für den zeitgenössischen Willy Merz ins Programm genommen wurde, natürlich dem Namen nach als Onkel des bekannten Neffen in Diderots Erzählung. Aber ich hatte tatsächlich bislang nichts von ihm gehört. Schande über mich.
Und so kamen wir in Genuss eines wunderbaren barocken Concerto grosso als Einstimmung, eines Konzerts von Vivaldi, das die schöne Stimme des Fagotts vom Trillern über das Seufzen bis hin zu einem tiefen melancholischen Brummen schön herausstellte und eines kleinen romantischen Notturnos von Torriani, für Fagott arrangiert. Torriani war für mich die Entdeckung des Abends; sein Notturno sentimentale war keineswegs ‚sentimental‘ in dem Sinn, wie wir im Deutschen das Wort heute verwenden, sondern ‚gefühlvoll‘ – und damit durchaus und überaus fröhlich.
Auch Rameau nach der Pause – ohne Fagott – hat mich sehr beeindruckt. Er bringt, was ich von der Barock-Musik eigentlich weniger kenne, das Orchester richtiggehend zum Schwatzen und scheut auch vor kleinen Scherzen wie einer eingebauten Ratsche nicht zurück.
Fröhlich und zufrieden ging ich denn auch nach Hause. Die Konzertsaison ist für mich beendet, aber keine Angst: Ich habe bereits für nächste Saison wieder ein Abonnement gelöst.