Die moderne Musikbranche würde von einem „One-Hit-Wonder“ sprechen: Dylan Thomas ist für sein Werk „Under Milkwood“ weltberühmt geworden. Mag sein, dass in Grossbritannien (oder in Thomas‘ engerer Heimat, in Wales) noch anderes von ihm bekannt ist – international hat nur „Under Milkwood“ den Durchbruch geschafft.
Dies allerdings zu Recht. Meine grosszügig gesetzte Ausgabe der Folio Society umfasst keine 90 Seiten. Auf diesen Seiten schildert Thomas den Ablauf eines Tages in einer kleinen walisischen Hafenstadt. Oder besser gesagt: Er schildert ihn nicht, er lässt uns ihn hören. Denn „Under Milkwood“ ist eigentlich ein Hörspiel. Eines der wenigen mir bekannten Hörspiele, die nicht nur Theater oder Film sind, wo ich aus Versehen die Akteure nicht sehen kann. Sondern eines der wenigen, die wirklich zum Hören sind. Weniger wegen spektakulärer Toneffekte; Toneffekte setzt Thomas sogar sehr sparsam ein. Sondern wegen der Sprache. Es ist keine Lyrik, aber selbst die erzählenden Prosateile haben einen lyrischen Ton.
So kommt es, dass der Leser/Hörer ein Eindruck hat an den Tagträumen des blinden, im Ruhestand seinem Ende zudämmernden Kapitän Cat teilzuhaben, teils realistisch – zusammengesetzt aus Sprachfetzen, die er auf der Strasse zu hören bekommt -, teils Imaginationen, so, wenn Kapitätn Cat die Stimmen seiner zur See ertrunkenen Besatzungsmitglieder oder alter Geliebter zu hören glaubt. Kapitän Cat unterscheidet nicht zwischen Realität und Vision, und so tut es auch der Leser/Hörer nicht.
Fazit: Keine 90 Seiten – die einen aber für lange Zeit in eine andere Welt zu versetzen vermögen.
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