The Hobbit: The Desolation of Smaug, USA 2013 – Regie: Peter Jackson

Buch: P. Jackson, Fran Walsh, Philippa Boyen, Guillermo del Toro. Mit Ian McKellen, Martin Freeman, Richard Armitage. Warner, 160 Minuten.

Wie schon bei der Besprechung des ersten Teils dieser Film-Trilogie angetönt: Wer diesem Film einigermassen gerecht werden will, vergisst am besten, dass The Hobbit auch ein Buch ist. Sicher, Tolkiens Kinderbuch diente als Vorlage für die Charaktere, für die Geschichte im Groben. Aber es weist einen grossen Fehler auf – wenn man es nämlich vom Herrn der Ringe aus betrachtet. Der Herr der Ringe erzählt die Geschichte des Rings weiter, den Bilbo Beutlin im Hobbit gefunden hat. Doch der Herr der Ringe ist eine Erzählung für Erwachsene – und eine düstere Erzählung. The Hobbit war noch kindlich, munter, nicht mit Tolkiens Privatmythologie befrachtet, auch gemächlich erzählt. Ich bin überzeugt, wenn Tolkien den Herrn der Ringe zuerst, und dann den Hobbit als ‘Prequel’ verfasst hätte – der Hobbit wäre länger geworden, düsterer, überfrachtet. Tolkien hätte dem Ring schon im Hobbit jene ominöse Qualität gegeben, die er bei ihm halt dann erst im Herrn der Ringe erhielt. Die Elben hätten eine wichtigere Rolle erhalten, als letzte Bastion des Guten, und Gandalf wäre mehr gewesen als der Pausenclown, der ein bisschen als Feuerwerker arbeitete. (Um ehrlich zu sein: Auch der Herr der Ringe kriegte diese Kurve erst, nach der Episode mit Bombadil. Bis und mit Bombadil lesen wir auch dort noch ein Kinderbuch.)

Genau das aber macht Peter Jackson. Und er macht es halt nicht unbedingt so, wie sich ein Alt-Philologe ein Abenteuer vorstellt, sondern wie es ein Splatter-Regisseur tut. Viel Kampf, viel Blut. Mehr noch als im Film Der Herr der Ringe finden wir, dass Orks auf brutale Weise getötet werden. Elben köpfen sie, nachdem sie ihnen Freiheit versprochen haben, oder schiessen auch mal zweien gleichzeitig einen Pfeil durch den Kopf. Zauberer schlitzen auch schon mal welchen den Bauch auf. Gleichzeitig aber werden diese Kämpfe auf eine überdreht witzige Weise dargestellt – die Elben schlachten ihre Gegner, indem sie gleichzeitig auf den Köpfen der Zwerge herumtanzen. Überhaupt macht unsere Reisegruppe so viel mit, dass jedes anständige Lebewesen grün und blau geschlagen wäre, tot und verblutet im Fluss treiben würde. Hier aber gilt: Samurai meets Slapstick.

Die Geschichte wird dabei zur Nebensache, und das ist fast schade. Zwar geht die Queste des Teams um Bilbo, Gandalf und Thorin Eichenschild weiter. Die Gruppe teilt sich auf. Zuerst verlässt Gandalf sie, um die Festung Dol Goldur auszuspionieren. Eine eigentlich sinnlose Aufgabe, denn Gandalf ist sich bereits sicher, dass nur Sauron dort als ‘Necromancer’ tätig sein kann. Gandalf wird denn auch gefangen genommen und bleibt Gefangener bis zum Schluss von Teil 2. Im Grunde genommen dient seine Abwesenheit im Team wohl auch nur dazu, zu begründen, warum dieses dann im Folgenden so grosse Probleme hat bei der Bekämpfung des Drachen Smaug. Ein Zauberer von der Qualität eines Gandalf hätte diesem Biest sofort den Garaus machen müssen / können. Ein paar Zwerge bleiben später in der Seestadt zurück, weil der jüngste, Kili, von einem vergifteten Ork-Pfeil getroffen ist und im Sterben liegt. Die einzige ernsthafte Verwundung, die ein Zwerg bisher davon getragen hat. Der Sinn davon ist simpel: Kili wird noch in Teil 2 gerettet werden, weil eine junge (für Elben-Verhältnisse junge!) Elbin ihm gefolgt ist und ihn zu heilen weiss. Womit Jackson auch für die Romanze gesorgt hätte, die bei einem Hollywood-Film offenbar unumgänglich ist: Kili, der Zwerg, und Tauriel, die Elbin. (Nicht, dass es zu Sex oder auch nur einem Kuss käme!) Nur eine Handvoll Zwerge und Bilbo, der Hobbit, erreichen Smaugs Einöde – seine Höhle, die einmal die Höhle und das Reich von Thorins Vorfahren war.

In der Höhle soll der “Meisterdieb” Bilbo Beutlin den sog. “Arkenstein” (theoretisch ein Juwel, praktisch eine seltsam geformte, überhell leuchtende Lampe) entwenden, der das Zeichen der Macht und Autorität des Zwergenkönigs ist. Ob es ihm gelingt, weiss man am Ende von Teil 2 nicht so genau, aber es gelingt dem Team mit vereinten Kräften, Smaug zu entkommen – aber auch, ihn derart zu ärgern, dass er beschliesst, seine Wut erst einmal an den Bewohnern von Esgaroth, der Seestadt, auszulassen.

Doch, wie gesagt, in den vergnüglichen Kämpfen zwischen den Elben – allen voran Taurin und Legolas – und den Orks wird die Handlung Nebensache. Man verzeiht Jacksons Bösewichtern auch die seit Jahrzehnten von den Bösewichtern des Trivialfilms geübte Unsitte – nämlich mit den Guten, wenn man sie gefangen hat, stundenlang zu diskutieren, statt sie sofort abzuschlachten. Schliesslich will man ja ein paar Gute behalten. Man verzeiht ihm die völlig unlogische Romanze zwischen einem Zwerg und einer Kampfelbin. Man verzeiht ihm sogar ein paar miserable Schnitte. (Für die allerdings u.U. auch der Verleih zuständig sein mag – so schlecht können höchstens Amateure schneiden.) Man verzeiht ihm die zunehmende – aber, weil nur an sowieso irreal wirkenden Orks und Riesenspinnen ausgeübt, nicht wirklich den Magen umdrehende – Brutalität der Kampfszenen. Man verzeiht ihm – auch weil es weniger davon gibt als in Teil 1 oder im Herrn der Ringe – die Schwenks über die eigentlich grandiose Landschaft Neuseelands, die einem aber in 3-D-Technik Übelkeit verursachen. Man verzeiht ihm sogar den Drachen, der nur so lange furchteinflössend wirkt, wie Jackson sich in der Darstellung auf ein gelbes, sich langsam öffnendes Reptilienauge beschränkt. Drachen, seien wir ehrlich, gehören nun wirklich nur in Kinderbücher…

PS. Der ursprünglich geplante deutsche Titel von Teil 2, Die Einöde von Smaug, wurde auf Intervention eines Deutschlehrers geändert. Smaug sei eine Person, also müsse es Smaugs Einöde heissen, befand er. Deutschlehrer müsste man sein. Zeit müsste man haben. Recht müsste man haben…

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