Hab‘ ich mir gedacht, wenn ich nun schon einen Band in Gerstäckers Reisebericht ausgelassen habe, will ich wenigstens korrekt weiterlesen. Mit andern Worten: Ich habe nun den fünften und letzten Band gelesen, für den Gerstäcker von Australien nach Java disloziert hat. Die Südsee-Inseln werde ich zum Schluss nachholen.
Java also. Am 7. November 1851 landet Gerstäcker in Batavia (dem heutigen Jakarta). Es ist das erste Mal (zumindest auf dieser Reise), dass sich Gerstäcker in einer nach ‚klassischem‘ Modell geführten Kolonie befindet. Die USA und die südamerikanischen Staaten hatten zu Gerstäckers Zeit das Kolonialjoch bereits abgeschüttelt (wie es so schön heisst), und Australien war eher ein Depot für im Mutterland unerwünschte Gestalten denn Lieferant von Gütern, die das Mutterland reich machen sollten. Java und das gesamte heutige Indonesien aber wurden nach dem üblichen Kolonialsystem ausgebeutet: Vor Ort befanden sich nur wenige Weisse, die eine winzig kleine Minderheit der Bevölkerung ausmachten: ein paar Verwaltungsbeamte, Militär und Kaufleute. Den grossen Rest machten die Einheimischen aus, die den Kolonialherren Waren und Dienstleistungen zu liefern hatten. 100 Jahre nach Bougainville hielten die Holländer, die Java ihr eigen nannten, die Inselgruppe zwar nicht mehr derart unter Verschluss wie damals, aber Gerstäcker befindet sich doch offensichtlich unwohl und muss praktisch für jeden Schritt ins Landesinnere einen separaten Pass vorweisen können.
Dennoch gibt der Deutsche zu, dass Holland ein recht liberaler Kolonialherr ist (hierin die nochmals ein Dreivierteljahrhundert später gemachten Aussagen von Richard Katz bestätigend), der zum Beispiel zwar kolonialisiert, aber nicht missioniert, und die Einheimischen bei ihrem muslimischen Glauben lässt.
Alles in allem gibt es auf Java für Gerstäcker gar nicht viel zu sehen oder zu tun. Er besichtigt einen Vulkan, der ihm nicht nur den Boden unter den Füssen heiss macht, sondern auch die Sohlen seiner Schuhe. Er nimmt an zwei oder drei Festen der chinesischen Bevölkerungsgruppe teil, findet die chinesischen Schauspieler aber nur schmutzig und laut, ihren Gesang dissonant.
Zweimal geht er auf Rhinoceros-Jagd. Gerstäcker ist ein glühender Jäger. Die Schilderungen der beiden Nashorn-Jagden bilden denn auch den interessantesten und kurzweiligsten Teil seines Berichts über Java. Er muss sich zum Beispiel zuerst daran gewöhnen, dass auf Java der persönliche Diener und Führer eines Weissen eine zu hoch gestellte Person ist, als dass der nicht seinerseits mindestens drei Diener und Träger benötigen würde. So wird aus Gerstäckers Jagd, die er gerne so klein und diskret wie möglich gehalten hätte, beide Male eine mittelgrosse Expedition. Kein Wunder, verscheucht der Lärm der vielen Menschen im Urwald jedes Rhinoceros, um so mehr, als die Einheimischen beständig miteinander reden, bzw., wie Gerstäcker das ausdrückt, schnattern. Da sie auch – im Gegensatz zu Gerstäcker – keinen erhöhten Wert darauf legen, überhaupt einem Nashorn zu begegnen, verzweifelt der weisse Jäger auf beiden Expeditionen schier. Die Schilderung der Diener und der gesamten Expeditionen weist denn auch einige komische Momente auf. Karl May hat, wenn ich mich recht erinnere, sein Alter Ego Kara Ben Nemsi nie nach Südostasien geschickt, aber die Art und Weise, wie der Sachse die Einheimischen irgendeines Weltteils schildert, könnte in ihrer herablassenden, das Verhalten der Leute ins Komische ziehenden Art durchaus von Stellen wie diesen abgeschaut worden sein.
Eigentlich hatte Gerstäcker ja im Sinn, von Java aus ans Kap der Guten Hoffnung zu segeln und von da aus Afrika auf dem Landweg von Süden nach Norden zu durchqueren. Auf Java aber packt ihn nun doch das Heimweh und die Sehnsucht nach seiner Familie. Er war sowieso schon zu lange weg, und so erlebt der Leser zum Schluss die Heimreise auf einem deutschen Segelschiff. Es passiert wenig unterwegs, und Gerstäckers Reise um die Welt kommt in diesem Band zu einem glücklichen Ende.