Schon das fast 50seitige Vorwort ist nur schwer erträglich: Pathetische Selbstdarstellung bis zum Erbrechen. Und Dummheit allerorten. Sie, die Autorin, die gerade ihr ganzes Herzblut an einen Roman wendet (ihr forderndes und anspruchsvolles „Kind“, das sie schweren Herzens weglegt, um sich anderem, größerem zu widmen), erfährt nun eine ganz einmalige Erschütterung durch die Anschläge des 11. Septembers. Ziellos irrt sie durch die Staubwüste – und wird geweckt vom Anruf eines Verlegers, der sie bittet, doch über dieses so ungeheure Ereignis einen Bericht zu schreiben. Einer Forderung, der sie sich unterwirft, 14 Tage verbringt sie in ihrer Klause ohne Essen, hält sich mit mit einer Überdosis Koffein aufrecht, um das zu gebären, was man nach dem Kreißen eines Berges gewärtigt: Ein Mäuslein, noch dazu ein verunstaltetes und ausnehmend dämliches Exemplar, auf das die Welt hätte ohne weiteres Verzicht leisten können.
Aber noch hat man das Vorwort nicht hinter sich gebracht: Dort wird (die Autorin ist krebskrank und vergisst nicht, auf dieses ihr Schicksal alle paar Seiten hinzuweisen) das Loblied einer posthumen Veröffentlichung gesungen, weil man sich dann die „Dummheiten oder Gemeinheiten derjenigen ersparen würde, die sich, ohne einen Roman schreiben oder konzipieren zu können, anmaßen, diejenigen zu beurteilen oder gar zu misshandeln, die diese Arbeit tun“. Ach, da hat wohl jemand mit Kritikern keine allzu guten Erfahrungen gemacht und erklärt sie vorbeugend zu Ignoranten – nicht weil sie nichts von Literatur verstünden, sondern solche selbst zu schreiben unterlassen. Dieses allzu platte „Argument“ wird selbst in wenig gehaltvollen Literaturforen selten strapaziert, weil schon der Hinweis auf den Besucher eines Fünf-Sterne-Restaurants, der sich – zu Recht – über das verbrannte Essen beschwert, zumeist ausreicht. (Dazu muss man nicht kochen können – und manchmal ist die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, die zum Verzicht auf eine solche Tätigkeit führen, eine geistige Großtat, auf die sich so manche Schreiberlinge besinnen sollten. Diese hier beispielsweise …)
Und dann der Bericht (eine Predigt nennt sie es, eine, die aufrütteln soll, aber tatsächlich handelt es sich um ein einfältiges Pamphlet), beginnend mit ihrer „Vorahnung“, die sie ganz gegen ihre Gewohnheiten den Fernseher einschalten lässt. Und so eine Vorahnung hält natürlich, was sie verspricht: Schon brennt der erste der Twin-Towers (Fallaci sieht ihr innerliches Raunen bestätigt), dann der Einschlag des zweiten Flugzeuges, das „wie eine Messerklinge in ein Stück Butter eindrang“. Mit dieser wohl misslungensten Metapher der gesamten Berichterstattung über den Anschlag beginnt ihr Loblied auf die edlen und freiheitsliebenden US-Amerikaner, die die Humanität 1776 für immer und ewig in der Menschheit verankert haben (was da wohl die paar schwarzen Sklaven dazu gesagt hätten, die in den ersten 100 Jahren nicht unerheblich am wirtschaftlichen Aufschwung Amerikas beteiligt waren?). Dazwischen eingestreut Eigenlob (über ihr „immer empfundenes Mitleid“ in Kriegen) oder Briefchen von kleinen Jungen (Trump lässt – schon wieder – grüßen, überhaupt dürfte er mit diesem Elaborat mehr als einverstanden sein): „Er (der 10jährige), der bisher, wenn er sich verlaufen hatte, sich an den Zwillingstürmen orientiert hat und nun dieser Zeichen verlustig ging, er braucht doch keine Angst zu haben: Denn New York ist voller guter Menschen, die dir statt der Türme helfen werden.“
Aber die Amerikaner sind nicht nur gute Menschen, die einem kleinen Jungen den Weg zum trauten Heim weisen, sie sind auch große Patrioten, die das Sternenbanner hochhalten (oder es in den Vorgarten pflanzen statt eines Gartenzwerges), sie umarmen einander und singen „God bless America“, Schwarz und Weiß, Demokraten und Republikaner, sie stehen wie ein Mann hinter ihrem Präsidenten George W. Bush (was Fallaci nicht müde wird zu rühmen, einig Al Gore zeigte sich skeptisch und wird deshalb von der Autorin der Schäbigkeit geziehen) und stimmen im Kongress einhellig für den Krieg und dafür, die Schuldigen zu bestrafen. Ex pluribus unum. Eine derartige Einhelligkeit sei bei keinem anderen Volk der Welt möglich. Zwischendurch ein paar Invektiven gegen den Islam (von dem sie keine Ahnung hat: Bei so viel Einfalt ist man fast versucht, die Taliban zu verteidigen), die in jeder Pegida-Broschüre gut aufgehoben wären. Denn dieser Islam ist das Böse an sich, weshalb sie in Erinnerung an den Afghanistan-Krieg von 1978 (!) zum Schluss kommt: „Die Sowjets sind, was sie sind. Aber man muss zugeben, dass sie mit diesem Krieg auch uns beschützen. Und ich danke ihnen.“
Mehr politische Ignoranz ist eigentlich nicht vorstellbar. Und darüber noch viele Worte zu verlieren lohnt sich wahrhaft nicht. Das Besondere an diesem Buch aber ist neben der fundamentalen politischen Blödheit die Eitelkeit und Borniertheit der Autorin (die an den unmöglichsten Stellen sich selbst zu loben nicht müde wird) und die sprachliche Unfähigkeit, die sich – neben all dem unsäglichen Pathos – in Metaphern ergeht, die einem 10jährigen kaum zur Ehre gereichen würden (immer wieder strapaziert sie etwa das Bild der zu Kaffeepulver (sic) zermahlenen menschlichen Überreste vom Anschlag). In einem aber hat die Autorin tatsächlich den zweifelhaften Gipfel erklommen: Dieses Buch ist das dümmste, schlechteste Elaborat, das ich seit Jahrzehnten (je? – dabei kenne ich sogar Bücher von Coelho) gelesen habe – und die Borniertheit und Selbstgefälligkeit der Autorin ist schier unübertrefflich. Ohne eine solche Borniertheit wäre ein solcher Text gar nicht möglich: Denn man muss schon ziemlich blind und sprachlich unfähig sein, um so einen Schund zu veröffentlichen.
Oriana Fallaci: Der Wut und der Stolz. Berlin: Ullstein 2004.