In der Einleitung gibt er eine kurze Vorstellung davon, was denn Wissenschaft eigentlich sei und welche Kriterien sie erfüllen müsse. Dieser Abschnitt fällt ein bisschen kurz und etwas unbefriedigend aus, allerdings ist dem Autor auch nicht an einer diffizilen Behandlung des Abgrenzungsproblems gelegen, sondern er zählt einzig die wichtigsten Punkte der induktiven Wissenschaften auf: Vor allem also die Möglichkeit, eine Theorie durch eine Experiment zu bestätigen (oder zu falsifizieren: Das Problem der Fallibilität allen Wissens oder der Theoriebeladenheit allen Experimentierens wird nicht erwähnt).
Der Autor beginnt mit den zu Anfang des 20. Jahrhunderts „entdeckten“ N-Strahlen: René Blondlot meinte bei seiner Versuchsanordnung auf diese Strahlen gestoßen zu sein (und wollte damit Wilhelm Konrad Röntgen ein französisches Pendant zu den X-Strahlen präsentieren). Das Problem: Das Experiment konnte von anderen physikalischen Labors nicht wiederholt werden. Blondlot war aber mitnichten ein Scharlatan, sondern ein über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannter Physiker (der als erster die Leitungsgeschwindigkeit in elektrischen Drähten gemessen hatte); er war ein Opfer seines eigenen Wunschdenkens und nachlässig gehandhabter methodologischer Kriterien: Wohl auch aufgrund dieses wissenschaftlichen Debakels verfiel er in schwere Depressionen, allerdings dürfte Dewdney mit seiner Aussage, dass Blondlot aufgrund dieser Vorfälle den Verstand verloren hätte und gestorben sei, selbst gegen die Kriterien einer guten Recherche verstoßen haben. Denn Blondlot war noch bis 1910 Professor (die „Widerlegung“ der N-Strahlen durch den amerikanischen Physiker Wood erfolgte 1904) und starb erst 1930 im alter von 81 Jahren.
Ausführlich widmet sich Dewdney auch der Psychoanalyse: Dass es sich hier um keine Wissenschaft handelt, hat allerdings schon Popper zu Beginn der 20er festgestellt. Neu war für mich die Tatsache, dass Freud selbst kaum Personen behandelt zu haben scheint und dass er auch keine nachweislichen Behandlungserfolge vorweisen konnte. Eine dieser Fallgeschichten ist in ihrer (angeblichen, denn ich bin mir nicht sicher, ob der Autor hier wirklich ausführlich recherchiert hat) Einfalt an Peinlichkeit nicht zu überbieten: Der sogenannte „Rattenmann“ Ernst Lanzer war von der Idee besessen, dass sein Vater von Ratten gefressen werden würde. Freud führte das (angeblich!, die Geschichte liest sich hier anders) auf die Bezeichnung „Spielratte“ (für den spielsüchtigen Vater Lanzers) bzw. auf die Angst vor dem Heiraten des Patienten zurück. Diese Begründung erscheint mir allerdings derart dämlich (obwohl Psychoanalytiker nachweislich zu Dämlichkeit neigen), dass ich sie hier nur mit Vorbehalt anführe. Der Grund, weshalb die Psychoanalyse keine Wissenschaft ist, liegt sehr viel mehr darin, dass alle ihre Thesen nicht falsifizierbar sind (ein experimentum crucis ist denkunmöglich): Alles kann mit ihr in Einklang gebracht werden, sie ist gegenüber Kritik immunisiert.
Ähnlich wie bei den N-Strahlen wurde auch bei der „Kalten Fusion“ (1989!) verfahren: Vom Wunsch beseelt, als Star in die Wissenschaftsgeschichte einzugehen, wurde auf methodologische Standards weitgehend verzichtet. Das Ergebnis war ein vergleichbares Desaster, für die betroffenen Wissenschaftler Fleischmann und Pons hatte es die Ächtung der Wissenschaftsgemeinde zur Folge, allerdings forschen die beiden unterstützt durch diverse Geldgeber immer noch in dieser Richtung. Anders gelagert sind die Schwierigkeiten in der IQ-Forschung oder bei den Rassentheorien (die häufig auf IQ-Messungen basieren): Hier liegt das Hauptproblem in der Definition von Intelligenz (eine anerkannte und plausible Umschreibung dieses Begriffs konnte bisher nicht gegeben werden). Allerdings halte ich es für falsch, alle diese Tests in Bausch und Bogen zu verurteilen: Begabungen, die für manche Berufe von Bedeutung sind, können sehr wohl erkannt werden (etwa logisches Denken bei denjenigen, die sich für eine Ausbildung zum Programmierer entschlossen haben). Diese Teilbegabungen mit Intelligenz gleichzusetzen ist selbstredend Unsinn. Bei den Rassentheorien zeigt Dewdney im übrigen eindrucksvoll, dass (selbst wenn die durchaus fragwürdigen Tests Objektivität beanspruchen könnten) die „Unterschiede innerhalb einer Gruppe die Verschiedenheit zwischen Gruppen einfach wegfegt“. Das ist nichts anderes als die triviale (wenn auch häufig missachtete) Erkenntnis, dass die minimalen Unterschiede (immer unter der Voraussetzung, sie hätten ein objektives Fundament) zwischen Frauen oder Männern, Schwarzen oder Weißen völlig irrelevant sind in Bezug auf den Einzelnen. Und auch in Bezug auf Gruppen: Denn ob in einer dieser Gruppen 51 % oder 48 % auf der linken oder rechten Seite der Gaußschen Glockenkurve zu finden sind, kann niemals die Benachteiligung der ganzen Gruppe rechtfertigen.
Mit dem Experiment der „Biosphäre II“ nimmt sich Dewdney auch die esoterische Szene vor (der aber wohl niemand Wissenschaftlichkeit unterstellt): In diesem Versuch wohnten acht Personen für zwei Jahre in einem hermetisch abgeschlossenen Bereich, allerdings war der Firma Space Biosphere Ventures (SBV) weniger an einem ökologischen Experiment gelegen, als daran, die Auswanderung auf den Mars zu planen. Dies deshalb, weil die Menschen durch ihr Tun auf der Erde dem Untergang geweiht seien. Die Verbindungen zur New Age Szene wurden sukzessive aufgedeckt, das Experiment selbst entsprechend den Vorgabekriterien von SBV gestaltet (so wurde schon bald offensichtlich, dass die Abgeschlossenheit nicht aufrecht erhalten werden konnte; der CO2-Gehalt wäre schon nach kurzer Zeit viel zu hoch gewesen).
Insgesamt ein unterhaltsames Buch: Allerdings hatte ich manchmal den Eindruck, dass der Autor es mit der Objektivität nicht immer sehr ernst genommen hat. Das ist so unfair wie dumm (weil es den Befürwortern von „Grenzwissenschaften“ in die Hände spielt): Denn alle hier behandelten Themenkomplexe werden zu Recht kritisiert. Das aber sollte man auf eine Weise tun, die den Gegnern von Wissenschaftlichkeit keine zusätzlichen Argumente liefert.
A. K. Dewdney: Alles fauler Zauber? IQ-Tests, Psychoanalyse und andere umstrittene Theorien. Basel: Birkhäuser 1998.
1 Reply to “A. K. Dewdney: Alles fauler Zauber?”