Élisabeth Badinter: Maria Theresia

Laut Klappentext und Wikipedia handelt es sich bei der Autorin Élisabeth Badinter (*1944) um eine ehemalige Professorin für Philosophie an der École polytechnique in Paris. Sie hat offenbar schon früh den (ich zitiere Wikipedia) Beauvoir’schen Feminismus für sich entdeckt. Diese Informationen sind nicht unwichtig für das hier besprochene Buch. Nämlich:

1. Diese Biografie wurde ursprünglich für ein französisches Publikum (vermutlich für ein französisches Laienpublikum) geschrieben. In Frankreich aber kennt man – gemäss Badinter – Marie Thérèse bestenfalls als Mutter der unglückseligen Marie Antoinette. Das 2016 auf Französisch erschienene Buch wurde letztes Jahr von Horst Brühmann und Petra Willim übersetzt und ist nun zwar in einem österreichischen Verlag (Paul Zsolnay, Wien) erschienen, aber ich vermute, dass es inhaltlich einem Österreicher und / oder einem Historiker wenig Neues bringt. Ausser vielleicht … – aber darauf komme ich gleich. Ich für meinen Teil bin weder Österreicher noch Historiker. Über Maria Theresia wusste ich auch nicht viel mehr als der durchschnittliche Franzose, allenfalls noch, dass sie in diverse Kriege mit Friedrich dem Grossen um Schlesien verwickelt war, namentlich den Österreichischen Erbfolgekrieg und im Gefolge dessen den Siebenjährigen Krieg. Der nun wiederum mir vor allem im Gedächtnis geblieben ist als Hintergrund für eine der besten Komödien deutscher Zunge: Lessings Minna von Barnhelm. (Badinter kennt die Kriege, aber nicht Lessing. Dafür kennt sie Leibniz – den Diplomaten, nicht den Philosophen.)

2. Der feministische Standpunkt. Anfang der 1970er – ich berufe mich abermals auf Wikipedia – entdeckte Élisabeth Badinter die Kompliziertheit des häuslichen Lebens als Mutter. Das ist grosso modo auch der Standpunkt, unter dem sie Maria Theresias Leben betrachtet und schildert: Das Leben einer Frau an den Schalthebeln der Macht zu einer Zeit, als dies Frauen noch nicht wirklich zugestanden wurde. Ausgehend von der Theorie, dass ein Herrscher zu jener Zeit sozusagen zwei Körper aufwies – den leiblichen eigenen und einen metaphyischen qua Herrscher („Der König ist tot! Es lebe der König!“) – postuliert Badinter für Maria Theresia einen dritten Körper: den der Frau. Und der soll sie gemäss Badinter zwar oft politisch behindert haben, sie soll ihn aber auch mindestens so oft zu ihrem politischen Nutzen eingesetzt haben. Jedenfalls im übertragenen Sinne: Die drei grossen Kriege des 18. Jahrhunderts, bei denen es aus Habsburger Sicht eigentlich ausschliesslich um Schlesien ging (auch Badinter blendet konsequent aus, dass es sich hier im Grunde genommen um die ersten Weltkriege der Menschheitsgeschichte gehandelt hat), wurden vom Zaun gebrochen, weil man der Frau die Berechtigung, Schlesien zu regieren, absprach. Aber Maria Theresia konnte ihre „Schwäche“ als Frau auch bewusst diplomatisch einsetzen, um Alliierte in diesen Kriegen zu finden. Später, als sie nicht mehr auf junge, schöne und unerfahrene Königin machen konnte, würde sie ihre Rolle als Mutter ähnlich ausspielen.

Dabei – und darauf legt Badinter Wert – fühlte und handelte Maria Theresia wirklich als Frau und Mutter. Natürlich gab es Ammen und Gouvernanten, aber sie nahm sich täglich Zeit für ihre Kinder und pflegte sie auch, wenn sie krank waren. Die Kinder bekam sie auch nicht einfach aus Staatsräson – sie genoss den Akt der Produktion offenbar genuin. Auch war es gemäss Badinter so, dass sie ihren Mann, Franz Stephan von Lothringen wirklich liebte (und er sie, zumindest zu Beginn, ebenfalls). Das wiederum behinderte sie oft in ihrer Politik. Franz Stephan hielt sich für einen grossen Strategen und verlangte immer wieder, in den Kriegen, die Maria Theresia führen musste, an der Spitze des österreichischen Heeres eingesetzt zu werden. Aus Liebe – so Badinter – liess ihn Maria Theresia gewähren, wohl wissend, dass es um die strategischen Geschicke Franz Stephans eher mau stand. Ihre Liebe aber liess sie auch um Franz Stephans Leben fürchten, und so rief sie ihn immer wieder nach Wien zurück, wenn er sich dann endlich doch zu einer Aktion entschlossen hatte. Das gab ihrer Politik oft etwas Schillerndes, Unberechenbares. Badinter verhehlt nicht, dass sie die Macht liebte, was im Alter ihr Verhältnis zu ihrem Sohn und designierten Nachfolger, Joseph II., nicht einfach machte, da es sich bei beiden um Machtmenschen handelte.

Alles in allem eine interessante Biografie – jedenfalls, wenn man weder Österreicher noch Historiker ist.

1 Reply to “Élisabeth Badinter: Maria Theresia”

  1. Ich bin auch kein Österreicher, sondern ein Thüringer, den es vor Jahrzehnten nach Preußen verschlagen hat (nachdem schon 1802 meine Heimatstadt Erfurt in der Nacht von preußischem Militär unter General Wartensleben nachts besetzt worden war, weil die Erfurter noch dem “Unterm Krummstab ist gut wohnen” unter Kurmainz und Koadjutor Dalberg angehangen hatten und Widerstand hätten leisten können; Königin Luise begeisterte sie dann für Preußen): das Maria Theresien-Jubiläumsjahr 2017 brachte außer dieser Biographie von Elisabeth Badinter noch die inzwischen in vierter Auflage vorliegende dickleibige, ebenso kluge wie quellenreiche Lebensbeschreibung von Barbara Stollberg-Rilinger sowie schon im Vorfeld die von Thomas Lau. Zwei mehrtägige Konferenzen in Wien und Mainz zeigten: Maria Theresia lehnte zwar den Freigeist Voltaire vehement ab, aber seine Tragödien wurden in Wien und Umgebung ebenso in Gegenwart Franz Stephans und Josephs aufgeführt, wie Diderots “Hausvater” in ihrer Anwesenheit. Diese Frömmigkeit, die sie auch der Tochter Marie Antoinette anempfahl, war jansenistisch, bereits auf die individuelle Befindlichkeit ausgerichtet, obwohl noch der barocke Pomp in ihren Landen anzutreffen war. Sie ging also auch mit ihrer Zeit, aber auf andere Weise als die zwölf Jahre jüngere, 1729 geborene Katharina die Große, die Diderot 67mal in Privataudienz empfing, allerdings einen Tisch zwischen sich und den Enzyklopädisten zu stellen befahl, damit dieser nicht vor Begeisterung ihr Knie berührte. Das wäre Maria Theresia nicht passiert, über die auch Casanova oder der Berliner Protestant Friedrich Nicolai Passendes aus eigener Anschauung zu berichten wussten (wie für viele Franzosen, ist für Frau Badinter die deutschsprachige Welt ziemlich fremd geblieben). Elisabeth Badinter hat Maria Theresia gut als Persönlichkeit einer Übergangszeit erfasst – wobei man sich im Nachhinein ganz besorgt fragt, ob eigentlich nicht jede Zeit eine Übergangszeit ist, nicht mehr gestern und noch nicht morgen, diese Weisheit jedoch immer wieder zu präsentieren geneigt ist.

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