Ingrid Brodnig: Lügen im Netz

Dieses Buch gehört leider zu den zahlreichen Erscheinungen zum Thema Internet, Computer, Digitalisierung, die kaum das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt wurden. Wobei ich Brodnigs Aussagen großteils zustimmen kann, was aber weniger auf ihre klugen Analysen, sondern vielmehr auf deren Trivialität zurückzuführen ist. Beispielsweise ihr „wichtigster Tipp in der aktuellen Debatte“: „Lassen Sie sich nicht verwirren – beinhalten [sic] Sie in Erinnerung, es gibt sehr wohl Fakten. Und das Wesensmerkmal von Fakten ist, dass wir sie überprüfen können.“

Dieses Zitat ist in mehrfacher Hinsicht beispielhaft für das ganze Buch: Sprachlich in einem mediokren Journalistendeutsch verfasst, gespickt mit zahlreichen Druckfehlern (der mir unbekannte Brandstätter-Verlag scheint am Lektorat gespart zu haben) und in den Aussagen banal. Dass es Informationsblasen im Netz gibt, die durch die Algorithmen von Facebook und Google gefördert werden, dürfte den allermeisten bekannt sein, das man Meldungen – je kurioser und abenteuerlicher sie erscheinen – kritisch gegenüberstehen sollte, ebenfalls – und nicht minder selbstverständlich ist das psychologische Faktum, dass man Informationen, die der eigenen Weltsicht entsprechen, leichter zu glauben geneigt ist. Wenn Brodnig sich der Wahrheit von Fakten bzw. der Wahrheitsfindung widmet (und dabei an die Philosophie streift), ist sie zweifelsohne überfordert: Denn Wahrheit kommt nur Aussagen zu und nicht den Fakten. Aber das ist nicht weiter schlimm, man weiß, was sie meint (auch wenn es zu dieser Frage noch einiges zu sagen gäbe).

Und so erfährt man in diesem Buch (sofern man sich je in Ansätzen mit dem Thema beschäftigt hat) kaum etwas Neues. Ja, Rechte bzw. Rechtspopulisten bedienen sich des Internets; durch permanente Wiederholung von Falschmeldungen gewinnen diese an Überzeugungskraft; Russland ist an der Unterminierung demokratischer Institutionen interessiert und an der Uneinigkeit der westlichen Staaten; und Trump hat manchmal gelogen. Dieser rechts- aber auch linkspopulistische (Lafontaine lässt grüßen) Unsinn findet im Internet eine Struktur, die dessen Verbreitung erleichtert und fördert und bedient sich unseres biologischen Erbes, das im Kleinen auf Altruismus setzt, im Großen (wobei die Gruppengröße zwischen sehr groß und relativ klein schwanken kann) aber für das Zusammengehörigkeitsgefühl ein Feindbild braucht. Der Appell, sich nicht verwirren zu lassen und nach Möglichkeit die Informationen zu überprüfen, mag ehrenwert sein, ist aber einzig an das rationale Vermögen des Einzelnen gerichtet und setzt ein Interesse an „Wahrheit“ voraus. Dieses aber ist keineswegs selbstverständlich, sondern wird häufig dem Gruppenanliegen geopfert. Die Hilflosigkeit des Appells ist andererseits aber entschuldbar: Auch alle anderen Aufforderungen zu mehr Kritik, zu einer Erziehung zum mündigen Bürger etc. sind – elaborierter – Ausdruck dieser Ohnmacht, die mit rationalen (und daher wohl unzulänglichen) Mitteln gegen jenen Teil unserer Persönlichkeit anzukämpfen versuchen, der von Emotionen beeinflusst wird. – Und so sind es vielleicht weniger die dem Leser anempfohlenen Regeln, die zu kritisieren sind, sondern der Inhalt, der in dieser Form auf jeder halbwegs seriösen Nachrichtenplattform auch nachgelesen werden kann. Wer hier Neues erwartet, überraschende Einsichten (ob in technischer oder politisch-psychologischer Hinsicht), wird in diesem Buch nicht fündig werden.


Ingrid Brodnig: Lügen im Netz. Wie Fake News, Populisten und unkontrollierte Technik uns manipulieren. Wien: Brandstätter 2017.

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