Bret Harte: Muck-a-Muck

„Muckamuck“ stammt ursprünglich aus einer indianischen Pidgin-Sprache des amerikanischen Nordwestens. Das Wort hatte dort die Bedeutung von ‘Essen’, fand aber den Weg in die Umgangssprache der Weissen, wobei sich die Bedeutung verschob hin zu ‘Autoritätsperson’. Der Grund für diese Bedeutungsverschiebung lässt sich höchstens erraten, aber im Sinne von ‘Autoritätsperson’ oder ‘Häuptling’ muss es auch Bret Harte gekannt haben, denn in der vorliegenden Kurzgeschichte ist Muck-a-Muck der Name eines Indianer-Häuptlings.

Einen weiteren Grund für die Verwendung dieses Wortes als Namen eines Indianer-Häuptlings vermute ich in der Assonanz zu einem andern indianischen Wort, dem Namen des weltweit wohl berühmtesten Indianer-Häuptlings der Literatur, der „Grossen Schlange“, von seinen Feinden, den Franzosen, „Le Gros Serpent“ genannt – oder eben in der Sprache der Lenape „Chingachgook“. Bei Muck-a-Muck der Kurzgeschichte handelt es sich nämlich um nichts anderes als um eine Parodie auf die berühmte Lederstrumpf-Pentalogie von James Fenimore Cooper.

Und noch nie habe ich gesehen, wie in so wenigen Worten – Muck-a-Muck umfasst in meiner Ausgabe1) knappe 30 Seiten, reich illustriert und in riesigen Lettern gesetzt – wie in so wenigen Worten, sagte ich, ein Romanzyklus von mehreren hundert Seiten so lächerlich gemacht wird, dass man die beiden Protagonisten, Natty Bumppo und Chingachgook, nie mehr wird ernst nehmen können. Im Speziellen karikiert Bret Harte Setting und Personal des vierten Romans aus dem Zyklus, The Pioneers, or The Sources of the Susquehanna; a Descriptive Tale (auf Deutsch: Die Ansiedler oder die Quellen des Susquehanna). Der Richter, der mit seiner schönen Tochter an der Grenze der sog. ‘Zivilisation’ wohnt, kommt in beiden Werken ebenso vor, wie der edle Indianer-Häuptling und der Waldläufer (der bei Harte Natty Pumpo geschrieben wird). Doch Hartes Indianer-Häuptling ist nicht nur edel, sondern auch Kleptomane; der Richter lebt zwar an der Grenze der ‘Zivilisation’, will aber keineswegs auf deren Annehmlichkeiten verzichten und hat sein Blockhaus eingerichtet, wie wenn es eine Wohnung im New York des beginnenden 20. Jahrhunderts wäre; und die Tochter geht mit Parasol und Rüschenkleidchen in den Urwald spazieren. Was sich sonst noch auf diesen 30 Seiten ereignet, will ich nicht verraten, aber Harte zielt mit grosser Sicherheit auf das Lächerliche und Triviale im US-amerikanischen Nationalepos des Lederstrumpf-Universums

Das Geld, das man in diese 30 Seiten anlegt, ist also gut investiert.


1) Ein moderner Indianerroman frei nach Cooper, übersetzt von Hans Petersen & bebildert von Thomas M. Müller. Heft N° 50 der Reihe Die Tollen Hefte erschienen September 2018 bei der Büchergilde.

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