+ + + Abgebrochen: Robert Krafts “Die Templer vom Ringe” + + +

Hans Wollschläger wollte eine Gesamtausgabe seiner Werke bringen: Robert Kraft. Das ergibt insofern einen Sinn, als Robert Kraft in etwa ein Zeitgenosse jenes Karl May war, in dessen Verlag Wollschläger zur Zeit seiner Faszination durch Kraft als freier Mitarbeiter tätig war, als er diese Idee im Briefwechsel mit Arno Schmidt wälzte. Genau wie Karl May lieferte auch Kraft mehr oder minder spannende (Abenteuer-)Schmonzetten am Laufmeter – Heftchenliteratur oder, wie man sie damals nannte, Kolportage. Anders als May errichtete Kraft kein eigenes Universum mit einem Reservoir an Gestalten, auf die er immer und immer wieder zugriff – vielleicht der Grund, warum man May heute noch kennt, Kraft kaum noch. Ohne Werke aus der Biosphäre des sächsischen Lügenbolds wäre mir jedenfalls Krafts Name nicht zu Ohren gekommen.

Viel verloren hätte ich dabei nicht. Ich habe Die Templer vom Ringe (man beachte das neckische Schluss-‘e’ im Dativ von ‘Ring’!) vor rund 15 Jahren gekauft. Die Internet-Seite dazu (www.robert-kraft.de) gibt es immer noch; die Bücher dort sind, so viel ich sehe, allesamt vergriffen. Auch das sicher kein Zeichen dafür, dass wir es hier mit einem vergessenen ‘Grossen’ zu tun hätten.

Dabei habe ich mich zu Beginn meiner Lektüre der Templer durchaus amüsiert. Kraft schafft es, einen in kürzester Zeit in sein Universum zu ziehen und das Interesse des Lesers an jenem seltsamen Club der Templer vom Ringe zu wecken. Zusammen mit einer leicht satirisch gehaltenen Beschreibung US-amerikanischen Wesens und Unwesens und einem unprätentiösen, sachlich daher kommenden Stil wäre das eine gute Voraussetzung gewesen für so einen oder zwei Tage vergnüglicher Lektüre auf dem Sofa. Dann aber machen sich zusehends die Schwächen der seriellen Vermarktung des Romans geltend. Er wurde ja zuerst in Fortsetzungen in einer Zeitschrift namens Für alle Welt publiziert und nie für eine Buchausgabe überarbeitet. Und so eiern wir plötzlich von Protagonist zu Protagonist dahin. Wohl verknüpft Kraft die Personen mehr und mehr miteinander, aber der Fokus verlagert sich im Laufe der ersten 100 oder 200 Seiten weg von einem geheimnisvollen Club und hin zu Love-and-Crime rund um das Dutzend Protagonisten, die Kraft aufgebaut hat. Irgendwann (bei mir war es nach ca. drei Vierteln des ersten Bandes, also nach etwa drei Achteln des gesamten Werks) verliert der Leser Überblick und Interesse. Man kann auch der sensationellen Wendungen zu viel einbauen. Das mag als Fortsetzung in einer Zeitschrift funktionieren, bei einer Lektüre als zusammenhängender Roman geht das nicht – zumal die Mitglieder des (in einem sehr weiten Sinn den Freimaurern nachempfundenenClubs – man kennt verschiedene Grade der Initiation, darunter Meister und Grossmeister) einander an Skurrilität zu übertreffen suchen. Auch der Schreib-Stil – zu Beginn als erfrischend empfunden – beginnt im Laufe der Lektüre, dem Leser unangenehm aufzufallen. Kraft ist nämlich offenbar nicht im Stande, den einzelnen Figuren mehr als ein paar schematische Sprachfloskeln zu verpassen, um sie in direkter Rede von einander zu unterscheiden. So kommt es, dass Krafts Schreibe je länger desto mehr ermüdet und langweilt.

Ich habe natürlich noch rund 20 Seiten am Ende gelesen. Es scheint nicht besser zu werden, auch wenn Kraft, so viel sich bei diesen 20 Seiten sagen lässt, offenbar seine Protagonisten auf den ersten 200 Seiten definitiv eingeführt hat und nun nur noch mit dem vorhandenen Personal arbeitet. Eine Lektüre also aus heutiger Sicht reine Zeitverschwendung; ich kann nicht sehen, was Wollschläger an Kraft und seinen Romanen fasziniert haben könnte.


Robert Kraft: Die Templer vom Ringe (2 Bde.). = Band 2 und 3 von: Ders.: Gesammelte Romane und Novellen. Leipzig & Wien: Edition Braatz & Mayrhofer, 2002. (Als Fortsetzungsroman zuerst 1903 erschienen)

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