Marcel Proust: Lettres [Briefe] 1879-1922

Dieser Tage erschien bei Suhrkamp eine zweibändige Auswahlausgabe der Briefe Marcel Prousts. Die Suhrkamp-Ausgabe beruht auf einer französischen Ausgabe, die von Françoise Leriche 2004 herausgegeben wurde; und diese Ausgabe wiederum beruht auf der grossen, 21 Bände umfassenden Correspondence, deren Herausgabe Philip Kolb kurz vor seinem Tod 1993 beenden konnte. Die Texte sind dabei nicht zu…

Karl Philipp Moritz: Andreas Hartknopf. Eine Allegorie / Andreas Hartknopfs Predigerjahre

Anders als der Anton Reiser ist der Andreas Hartknopf1) desselben Autors einigermassen unbekannt. Schon Moritz‘ Zeitgenossen rezipierten den ersten Teil, die Allegorie, weniger als den Reiser, den zweiten Teil dann schon fast gar nicht. Ich habe Andreas Hartknopf vor Jahren schon einmal gelesen, kann mich aber an keine Details mehr erinnern. Dies hier ist nun…

Hermann Burgers „Brenner“ – Heimatroman? Autobiografie? Sachbuch?

Um es vorweg zu nehmen: Brenner ist meiner Meinung nach einer der ganz grossen Romane der Weltliteratur, die die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Es ist der letzte Roman, den Hermann Burger in seinem kurzen Leben zu Ende geschrieben hat. Das heisst, beendet hat er den ersten Band von einer Tetralogie, Brunsleben. Von…

Sofja Tolstaja: Eine Frage der Schuld

Verstört und (vor allem wohl) verärgert muss die Gräfin Tolstaja gewesen sein nach der Lektüre des kleinen Romans ihres Gatten Leo, Kreutzersonate. Und, obwohl sie sich für die Veröffentlichung der Kreutzersonate eingesetzt hatte, konnte sie sich einer Replik nicht enthalten auf die öffentlichen Anschuldigungen ihres Mannes, als die sie seinen Roman empfand. Sie schrieb diese…

Byrons Lyrik – betrachtet anhand ausgewählter Beispiele

Trotz des nach einer gelehrten Abhandlung klingenden Titels ist dies eine eher persönliche Betrachtung, mehr eine Schilderung einer Lese-Erfahrung denn literarische Analyse. Byron habe ich zum letzten Mal vor ca. 15 oder 20 Jahren gelesen. Ich hatte seine Lyrik als frisch und gewagt in Erinnerung, als schwer verständlich auch, weil stark autobiografisch bezogen und motiviert….

Mary Shelley: The Last Man [Der letzte Mensch]

Falls die Damen und Herren der WHO je wieder auf den Gedanken verfallen sollten, eine Pandemie ausrufen zu wollen, würde ich ihnen die vorgängige Lektüre dieses Romans der englischen Romantikerin Mary Shelley von 1826 empfehlen. Denn „Pandemie“, wenn es so etwas gibt, müsste aussehen, wie von Mary Shelley imaginiert. In ihrem Roman The Last Man…

John William Polidori: The Vampyre [Der Vampyr]

Wenn die UNESCO nicht nur alte Gebäude, sondern auch vergangene Ereignisse in ihre Sammlung des Weltkulturerbes aufnehmen würde – jene völlig verregneten Tage und Nächte des Sommers von 1816, die der Freundeskreis von Lord Byron in der Villa Diodati am Genfersee verbrachte, müssten dazu gehören. Dieser Freundeskreis – darunter Percy Bysshe Shelley und die damals…