The Hobbit: An Unexpected Journey, USA/NZ 2012 – Regie: Peter Jackson

Buch: Peter Jackson, Fran Walsh, Philippa Boyens, Guillermo Del Toro. Mit: Ian McKellen, Martin Freeman. Warner, 169 Minuten.

Der Verfilmung von J. R. R. Tolkiens The Hobbit or There and Back Again stellen sich zwei prinzipielle Hindernisse in den Weg:

Zum einen ist Tolkiens als Vorlage dienender Text wirklich ein Kinderbuch. Die Handlung ist simpel, die Sprache ist einfach. Komplexe Gedanken über Gott und die Welt sind weitestgehend ausgespart. Zwar wird ein Drache getötet, aber Gewaltanwendung findet kaum statt.

Zum andern sind The Hobbit or There and Back Again ebenso wie Tolkiens Hauptwerk für Erwachsene, The Lord of the Rings, von einem Autor geschrieben worden, der die alte Literatur gut kannte. Tolkiens Geschichten sind klassische Questen: Ein Held bricht auf, um in der Ferne eine Aufgabe zu erledigen. So ein klassischer Questen-Held und Abenteurer ist prinzipiell männlich; Frauen spielen, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. (Allenfalls, wie in Rider Haggards She, die des dämonischen Gegenprinzips. Dieses dämonische Gegenprinzip aber ist in The Lord of the Rings männlich; in The Hobbit or There and Back Again fehlt es gänzlich.) Tolkien ist kein Narr – er wandelt das Motiv der Queste selbstverständlich um. Es ist bei ihm nicht der tumbe Tor, der aufbricht, den göttlichen Gral zu erringen und nach Hause zu bringen. Im Gegenteil: In The Lord of the Rings ist es zwar auch ein tumber Tor, der aufbricht, aber seine Mission ist es, den – nun halt dämonisierten – Gral bzw. Ring der Zerstörung zuzuführen. Vorher, in The Hobbit or There and Back Again, war es ein anderer tumber Tor, der zwar ebenfalls aufbricht, seine eigentliche Mission auch als Teil eines Teams erfüllt – den Gral bzw. Ring aber nebenbei und auf nicht ganz koschere Art gewinnt.

Beide Hindernisse, das Kindliche wie den Frauenmangel, galt es offenbar aus dem Weg zu räumen, und Jackson versucht es mit einigem Erfolg. An ein Kinderbuch erinnert wenig. Der Film ist brutaler als seine drei Lord-of-the-Rings-Vorgänger – Orks wie Zwergen werden die Köpfe abgeschlagen und rollen einsam durch die Landschaft. Dasselbe geschieht mit diversen andern Gliedmassen; Gandalf schlitzt einem Gegner gar den Bauch auf. Alles in allem ist die Stimmung düsterer als im unbeschwerten Kinderbuch. Jackson erreicht das, indem er den Hobbit zum eigentlichen Prequel der Lord-of-the-Rings-Verfilmung macht. Anspielungen darauf, dass sich die Dinge rapide ändern werden, und zwar zum Üblen, werden noch und noch eingestreut. Das Böse ist im Hobbit-Film bereits unterwegs – was es im Buch keineswegs ist. (Auch das Hobbit-Buch spielt zeitlich vor den Ereignissen des Herrn der Ringe. Aber ausser, dass Bilbo Baggins jünger ist, und der Ring ebenfalls vorkommt, aber eher als witziges Gadget denn als düstere Bedrohung, finden wir im Buch wenig Einstimmung und Hinweise auf die späteren Ereignisse.) In Bezug auf die Frauen hat sich Jackson, zumindest im ersten Teil der Verfilmung, so beholfen, dass eine der eminenten weiblichen Elben aus der Lord-of-the-Rings-Verfilmung auch in diesem Film mitmachen durfte – nämlich, als man im Elbenland über den weiteren Verlauf der Queste diskutierte.

Die ständigen Diskussionen stellen denn auch die grosse Schwäche des Films dar. Die Kinderbuch-Vorlage ist sehr mager; eigentlich reicht der Stoff darin bestenfalls für einen Film von vielleicht 60 Minuten. Jackson will nun drei Filme à jeweils rund 180 Minuten daraus machen. Das geht nur, weil er ein paar Tricks anwendet: Da wird in diesem Film immer wieder über die Mission diskutiert – oder über die heldischen Qualitäten des kleinen Hobbits. Dann wird dem ganzen Vorzeichen-Gedöns sehr viel Raum zugestanden – im Grunde genommen eine ganze Parallel-Handlung. (Parallel und relativ unverbunden – weil: an der ursprünglichen Queste der Rückgewinnung eines Zwergenschatzes hat Jackson nichts geändert. Und der stand nun einmal im Kinderbuch in keinem grösseren Zusammenhang mit den Ereignissen des Erwachsenenbuchs, das Jahrzehnte später einsetzt.) Last but not least werden der handlungsarmen Vorlage in Rückblenden viele Schlachten hinzugefügt; viele weitere Schlachten ereignen sich unterwegs – jede dieser Schlachten von epischer Länge. Das ermüdet ein bisschen – insbesondere, wenn sich irgendwelche Steinkolosse in den Bergen irgendwelche Felsbrocken um die Köpfe schlagen, ohne dass dies in irgendeinem Zusammenhang mit der eigentlichen Queste stünde. Da konnte sich das Special-Effects-Team austoben – dem Zuschauer bringt es nur weitere 5 Minuten, die er auf das Ende warten muss.

Die grossartige Landschaft Neuseelands, die in der Herr-der-Ringe-Verfilmung quasi eine tragende Rolle spielte, kommt im ersten Teil des Hobbit-Films zu kurz. Viele Szenen spielen in unterirdischen Gängen und Höhlen. Erneute Möglichkeiten fürs Special-Effects-Team…

Das soll jetzt nicht heissen, dass der Film langweilig war. Jackson ist gut genug, um (meistens) zu wissen, wann er womit aufhören muss. Die beiden Hauptfiguren, der Hobbit und der Zauberer, nehmen sich und andere gerade nicht ernst genug, um – menschlich zu wirken. Das ist wohl auch dem hervorragenden Spiel der beiden Hauptdarsteller zu verdanken – Ian McKellen als der Zauberer Gandalf und Martin Freeman als der Hobbit Bilbo Baggins.

Ich habe mich jedenfalls prächtig amüsiert. Pop-Corn-Kino vom feinsten.

3 D

Noch ein paar Worte zur verwendeten 3-D-Technik. Sie ist unterdessen offensichtlich schon sehr ausgereift, und es ist faszinierend, wenn Objekte (Steine oder Vögel) in unserm Hirn den Eindruck erwecken, direkt auf uns zu zu fliegen, oder direkt über unsere Köpfe hinweg ins Bild zu sausen. Wenn am runden Tisch diskutiert wird, spielt es allerdings keine Rolle, dass die Köpfe der Darsteller ein paar Zentimeter aus dem Bild zu ragen scheinen. Im Gegenteil: Weil man wirklich den Eindruck hat, dass es nur ein paar Zentimeter sind, wirkt der Hintergrund dann wie eine Pappkulisse im Theater. Wenn die Kamera durch die Landschaft schwenkt stört es mich persönlich sogar, weil mir diese Bewegung in 3 D Übelkeit verursacht. Es ist jedenfalls nicht unabdingbar, den Film in 3 D gesehen zu haben.

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