Sicher, Katz ist keiner der ganz Grossen. Zwischen den beiden Weltkriegen war er allerdings einer der populärsten Reiseschriftsteller deutscher Sprache. Nur war es, als dann Hitler an die Macht kam, damit fertig. Der Deutschprager Jude Katz emigrierte schon frühzeitig – zuerst in die Schweiz, dann nach Brasilien. Er gehörte dabei zu den Glücklichen, gelang es ihm doch noch rechtzeitig, sein Vermögen aus dem Deutschen Reich in die Schweiz zu transferieren.
Dennoch trafen ihn die Ereignisse in vieler Hinsicht ins Mark. Reisen und darüber Schreiben waren plötzlich unmöglich geworden – zunächst, weil er als Jude, als deutscher Jude, nicht überall willkommen gewesen wäre. Während des Krieges war Reisen natürlich sowieso nicht möglich. Auch durfte ihn sein deutscher Verlag, Ullstein, nicht mehr veröffentlichen; schon gar nicht, nachdem das Ullstein-Haus später nazifiziert wurde (die Besitzer, die Ullstein-Brüder, waren ebenfalls Juden). Zwar fand er mit dem Schweizer Eugen Rentsch Verlag einen Publikationsort, aber sein Publikum war natürlich durch die Ereignisse ziemlich geschrumpft. In der Nachkriegszeit scheint Katz irgendwie die Lust an grossen Reisen verloren zu haben. Da er dennoch weiter schreiben wollte, und als Verfasser von fiktiven Geschichten keinen Erfolg hatte (es gibt einen Kriminalroman von ihm und eine Art autobiografischen Romans, beide floppten), suchte und fand er einen Ausweg. Er blieb in gewissem Sinne Reiseschriftsteller, seine Reisen beschränkten sich aber nun auf die nähere Umgebung. Will sagen: Nachdem er in Brasilien naturalisiert worden war, schrieb er vorwiegend über dieses Land. Brasilien war damals, kurz vor und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, noch exotisch genug, um bei seinem Stammpublikum ein gewisses Interesse zu wecken. Auch ist das Land ja gross genug, dass man jahrelang darin herum reisen kann, und immer wieder etwas Neues entdecken wird. Wenn Katz also auch nicht mehr an seine ganz grossen Erfolge anknüpfen konnte, blieb er doch vielen in Erinnerung und verkaufte sich weiter.
Heute erinnern Katz‘ Schriften aus jener Zeit an Essays, die die Auslandkorrespondenten grösserer Zeitungen von Zeit zu Zeit in ihren Stammblättern veröffentlichen. (Katz war ja von Hause aus Journalist!) So auch das hier vorzustellende kleine Büchlein Kleinode der Natur. Wie sein Untertitel Diamanten, Orchideen und Kolibris verrät, enthält es drei Essays zu den genannten Themen. Wenn ich dem Buch hier die Schlagwörter ‚Geologie‘, ‚Botanik‘ und ‚Biologie‘ zuordne, so ist das natürlich ein bisschen prätentiös, und ich bin sicher, Katz hätte solche Einordnungen weit von sich gewiesen. Aber Katz verwendet eine gelungene Mischung von eigenen Erfahrungen und zuerst selber er- und dann eingearbeitetem Fach- und Sachwissen, schreibt somit zugleich informativ und interessant.
Wie schon in seinen Reiseberichten ist er am besten dort, wo er sein Thema ‚personalisieren‘ kann. Von den hier vorliegenden drei Essays ist es der erste, zum Thema ‚Diamanten‘, weil er hier seine eigenen Erlebnisse verknüpfen kann mit dem Leben eines befreundeten Diamanteurs, eines Diamantenhändlers, den er auf einer seiner Weltreisen im heutigen Indonesien kennen lernte und in Rio de Janeiro wieder traf. Er schildert, wie sich aus der flüchtigen Bekanntschaft eine Freundschaft entwickelte, die bis zum Tod des Diamanteurs dauerte, und baut in diese Geschichte auch alle Informationen geologischer, chemischer und ökonomischer Art ein, die er zum Thema ‚Diamanten‘ gesammelt hat. Und das ist mehr, als eine durchschnittliche Tages- oder Wochenzeitung heute liefern würde.
Am wenigsten gelungen ist der zweite Essay, zum Thema ‚Orchideen‘. Was zwar ähnlich vielversprechend beginnt mit einem Besuch bei einem alten Orchideenzüchter, verlässt diesen Mann sehr bald, und Katz präsentiert seine Informationen zum Thema relativ unzusammenhängend. Immer noch interessant, aber nach dem wunderhübschen ersten Essay halt doch enttäuschend.
Besser wird der dritte und letzte Essay. Zwar hat Katz auch hier keine Person, an der er das Thema ‚Kolibri‘ aufhängen könnte. Aber er hat etwas anderes, etwas Besseres: einen Kolibri selber. Einen nämlich, der ihn in seinem Sommerhaus in Nova Friburgo jährlich besuchen kommt, und den Katz interessiert beobachtet. Dieser Kolibri animiert ihn dazu, sich in diese Vogelart einzulesen, wovon auch der Leser Katz‘ seinerseits profitiert.
Viele der Katz’schen Informationen sind natürlich heute, nach 80 Jahren, veraltet. Dass man die drei Essays dennoch immer noch lesen kann, zeugt davon, dass er es vermocht hat, Interesse an Personen mit Sachinformationen zu verbinden. Eine leise über sich selber, den Amateur, schwebende Ironie hilft dabei. Nichts ist schlimmer als der Amateur, der sich zu einem Thema als allwissend und allkönnend geriert. Katz wusste das und vermied diese Pose. Dadurch ist das Büchlein auch heute noch lesbar und kann einem ein paar nette Stunden bereiten.
Richard Katz: Kleinode der Natur. Diamanten, Orchideen und Kolibris. Zürich: Eugen Rentsch, o.J. [1949]