+++ abgebrochen Helmut Bittner: Es gotts(z)t mich an: Zufrieden ohne Gott: Fakten und Meinungen eines Atheisten

Hier rechnet jemand im Stile eines aufgeregten Leserbriefschreibers mit der christlichen Religion ab: Es ist eine große Anklage an den lieben Gott, an die Mächtigen in der Kirche, den Staat, der diese zu unterstützen pflegt und ein Plädoyer für Aufklärung und Wissenschaft.

Dagegen ist natürlich nichts einzuwenden, aber dieses sprachlich mediokre Pamphlet ist denn doch ein wenig zu simpel gestrickt. Wobei sich die Grundthemen – obschon sich der Autor um Gliederung (erfolglos) bemüht, ständig wiederholen: Vor allem das Thema der Theodizee treibt Herrn Bittner um, wobei ich so manchmal den Eindruck gewann, dass sein Atheismus sich aus Enttäuschung speist, aus der Enttäuschung, dass ihm dieser nun nicht mehr ganz so liebe Gott nicht in diversen schweren Situationen beigestanden hat. So erzählt er in der Einleitung vom tragischen Sterben seiner Ehefrauen (an Krebs) und verquickt diese Schicksale mit der Frage, wo denn Gott in dieser Zeit gewesen wäre und warum – so es ihn denn gäbe – er nicht eingegriffen habe. Das ist eine für denjenigen berechtigte Anklage, der sich eine solche Hilfe erwartet hat, aber für einen Atheisten (als den sich Bittner bezeichnet) mutet das ein wenig seltsam an.*

Natürlich hat Bittner in vielem Recht: Seine Wut über die Unterstützung des Staates für Religionsgemeinschaften, über die Indoktrination von kleinen Kindern, die fragwürdige, vielleicht auch den Grundrechten widersprechende Taufe von Kindern uva. sind mehr als berechtigt. Und selbstverständlich widerspricht der christliche Glaube so gut wie allen wissenschaftlichen Erkenntnissen, gibt es eine unglaubliche Heuchelei in der Kirche (von Kindesmissbrauch bis dubiosen Geldgeschäften, Holocaustleugnern und Faschisten): Doch diese – umgangssprachlich – vorgetragenen Anklagen entbehren dann doch jeder Originalität und muten äußerst trivial an. Dazu kommt noch ein recht einfältiger Fortschrittsoptimismus: Er erhofft sich von einer fortschreitenden Wissenschaft jene Aufklärung, die diese anachronistischen Religionen zu Fall bringen wird. Ganz so einfach aber pflegt die Sache nicht zu sein und schon David Hume wusste, dass logisch-rationale Erklärungen nur allzu selten zu Handlungen zu motivieren oder gar überkommene Vorstellungen zu ändern imstande sind. Das klingt bei Bittner so: “Wissenschaft und Aufklärung wirken wie eine Schutzimpfung (Impfungen haben uns von geißelnden Krankheit wie Pocken und Kinderlähmung befreit), die gegen den Glauben immun macht. Dadurch wird die Religion immer unwirklicher, unverständlicher und märchenhafter. Durch Erfahrung und Enttäuschung werden die Räume für Lügen und Leichtgläubigkeit immer kleiner. Wer von einem Finanzberater oder einer Versicherung falsch beraten oder gar betrogen wurde, wird kritischer, vorsichtiger und misstrauischer. Er wehrt sich, wie auch immer.” Oder: “In einer postmonotheistischen Zeit kann ein nicht gelehrter Glaube nicht wirken. Er kann es nur, wenn seine Normen, die Religion, von Generation zu Generation eingeprügelt wird. Niemand würde diese christliche Religion mit dem heutigen Inhalt erfinden! Natürlich wird es immer Menschen geben, die eine gewisse Anfälligkeit für spirituelle Angeboten haben. Das stört aber nicht.”

Dieser simplifizierende, ein wenig einfältige Tonfall zieht sich durch das gesamte Buch; eine Definition des Theisten liest sich wie folgt: “Theisten, (z. B. Christen), sind Menschen, die die Atheisten noch nicht verstehen können. Sie unterwerfen sich kritiklos der christlichen Religion. Sie akzeptieren nicht die Naturgesetze und stellen den Glauben über die Wissenschaft. Alles ist von Gott gewollt! Christen werden mit der sogenannten Erbsünde geboren: Vom Baum der Erkenntnis gegessen und dadurch mehr sein zu wollen, als von Gott erlaubt, das ist die Erbsünde. Sie heißt Erbsünde, weil sie mit dem Samen des Adam seitdem vererbt wird. Das Neugeborene ist bereits sündenlastig. – Das Wort Vererbung finden wir aber auch in der Evolutionstheorie, die der christliche Glaube verneint!” (Hervorhebung des Autors, die krude Zeichensetzung entspricht dem Original.) – Der gute Wille des – zu Recht – erbosten Arztes in allen Ehren: Aber das Schreiben hätte er sein lassen sollen. Oder – wie eingangs erwähnt – sich dem Genre des Leserbriefschreiberei zuwenden. – Unlesbar – mit einem gewissen (ungewollten) Unterhaltungsfaktor.


*) Ich habe eine vergleichbare Erfahrung gemacht: Zwei Menschen, die mir sehr nahestanden, sind in einem Alter tragisch verstorben, in dem man noch nicht einmal die Hälfte des zu erwartenden Lebens gelebt hat. Aber ich wäre nie auch nur im entferntesten auf die Idee gekommen, diesbezüglich mit Gott zu rechten. Wie ich mich auch in Gedanken nicht mit dem Teufel, einer bösen Fee oder Lord Voldemort zu unterhalten pflege. Das Problem der Theodizee ist selbstredend für alle Gottesgläubigen peinlich und unlösbar: Aber es ernsthaft mit meinen persönlichen Erfahrungen zu verquicken ist für mich im Wortsinne undenkbar.


Helmut Bittner: Es gotts(z)t mich an: Zufrieden ohne Gott: Fakten und Meinungen eines Atheisten. Leipzig: Engelsdorfer Verlag 2015.

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