Möller kombiniert seine Religionskritik mit ganz persönlichen Erlebnissen: Er war Pressesprecher einer atheistischen Busreise durch Deutschland, unterrichtete an einer Grundschule (wo den Heranwachsenden immer noch – nicht nur in Berlin – eine „Schöpfungslehre“ anstatt von Evolution und ewiges Höllenfeuer statt Lebensfreude serviert wird), er berichtet von seiner Bekannten Sophie, die – an Krebs erkrankt – für ein würdevollen Sterben kämpft und sieht sich bei all dem der Heuchelei und verstörenden Blödheit der Religionen (in seinem Fall vor allem der beiden christlichen) gegenüber. Das ist – wie erwähnt – nicht etwas wirklich Neues, macht aber (zumindest mich) immer wieder aufs Neue wütend, wenn man mit den Fakten dieser staatlich unterstützten und geförderten Idiotie konfrontiert wird.
Für Deutschland sind es etwa 20 Milliarden, die die Kirche über Steuererleichterungen bzw. -befreiungen lukriert (für Österreich der Größe entsprechend etwa 2 Milliarden), dazu kommt eine durch den Staat eingetriebene Kirchensteuer (Möller weist zu Recht mit Nachdruck darauf hin, dass mit diesem ganzen Geld mitnichten soziale Institutionen wie Krankenhäuser oder die Caritas unterstützt werden, nicht einmal 2 % werden von der Kirche aus eigenen Mitteln bestritten, der Rest geht auch hier auf Kosten des Staates), das von allen (auch Atheisten) in Deutschland staatlicherseits bezahlte, fürstliche Gehalt von Bischöfen, die Unterstützung der Indoktrination von Kindern mit religiösem Nonsens in Schulen usf. Von geschlagenen und missbrauchten Kindern in diversen religiösen Einrichtungen ganz zu schweigen.
Im Grunde verhält es sich hier ganz ähnlich wie beim Kampf gegen den Rechtspopulismus: Man kann nur mit rationalen Argumenten dagegen ankämpfen, an den Verstand der Betreffenden appellieren und weiß gleichzeitig, wie vergeblich das alles ist (hier könnte man Schillers geflügelte Wort über den vergeblichen Kampf gegen die Dummheit einfügen). Und es wäre auch weniger schlimm, wenn diese Dummheit des Gottesglaubens nicht moralisch-ethische Implikationen zur Folge hätte, wenn nicht im Namen des „lieben“ Gottes, der Religion seit Jahrtausenden Menschen umgebracht, gefoltert, missbraucht, unterdrückt würden. Bliebe es bei bloß esoterischer Einfalt – was solls: Ob da einer den „Leib Christi“ in Form ein Oblate schlabbert oder auf einem Hinkelstein zur Sommersonnenwende gen Himmel blickt – geschenkt. Sobald die Zahl der Idioten aber ein bestimmtes Maß übersteigt, werden Machtgelüste ausgelebt – wie immer im Namen der Menschlichkeit: Dann wird gefoltert und gemordet oder – wenn die Macht nachlässt wie im Falle des Christentums in den meisten westlichen Ländern – zumindest noch den Kindern nach Möglichkeit unsäglicher Unsinn eingetrichtert, von staatlichen Stellen nicht nur toleriert, sondern gefördert. Und kein Ende in Sicht, haben doch auch Politiker genau diese Schule durchlaufen (so schreibt eine Nahles über die „Die Bedeutung religiöser Überzeugungen in der Politik“, Göring-Eckhart über „Glaube als Heimat und Versicherung“, von den Vertretern „christlicher“ Parteien ohnehin ganz zu schweigen). Dies betrachtend halte ich denn auch Möllers Optimismus, dass Religion ein Auslaufmodell sei, für – leider – mehr als unangebracht.
Philipp Möller: Gottlos glücklich. Warum wir ohne Religion besser dran wären. Frankfurt a. M.: Fischer 2017.