Nach einem einleitenden Zitat aus Horaz‘ Oden lernen wir Erich kennen. Erich ist Literaturwissenschafter an der Universität Wien, spezialisiert in Weltuntergangsszenarien. Als solcher ist er über den Umweg einer alten Beschreibung, wie an der englischen Südküste ein Teil des aus Kreidefelsen bestehenden Ufers vom Meer verschlungen wurde, zu einem Lehrauftrag in Bath gekommen, wo gerade Klimaforscher die Auswirkungen der Erderwärmung auf eben diese Kreidefelsen untersuchen. Erich ist froh über diesen Lehrauftrag. Er gibt ihm einerseits zumindesst für kurze Zeit finanzielle Sicherheit in seiner prekären Lage, andererseits bietet er ihm die Möglichkeit, sein gehasstes Wien endlich verlassen zu können. Der Auftrag soll gleich im Neuen Jahr starten; noch vor Weihnachten hat der Junggeselle seine Wohnung in Wien aufgelöst. Die Zeit zwischen den Jahren will er im leer stehenden Ferienhaus seiner Freunde Paul und Linda in Irrlitz (sic!) verbringen.
Dort trifft er auf Daniela, die gerade ihren Hund Toko sucht. Daniela verwaltet im Winter einen grossen Saurierpark in der Nachbarschaft des Ferienhauses, in dem Erich vorübergehend wohnt. Eigentlich gehört der Saurierpark ihrem Onkel, der ebenfalls Toko heisst. Doch Toko, der Onkel, ist wie immer im Winter auf Reisen, wahrscheinlich in Thailand. Es entspinnt sich eine seltsame Beziehung zwischen Daniela und Erich – weder Liebe noch Hass, auch keine Freundschaft. Am ehesten könnte man es wohl Kameradschaft nennen.
Im Laufe des Romans stellt sich heraus, dass beide so ihre Leichen im Schrank versteckt haben, denen sie sich – sit venia verbi – nun in den paar Tagen zwischen Weihnacht und Neujahr stellen müssen. Sie tun das mit mehr oder weniger Bravour. Der Autor hat noch eine Art „Easter Egg“ versteckt, das er fast am Ende zeigt. Ganz am Ende steht ein Mail, das Daniela an Erich schickt, der unterdessen in Bath ist. Sie schreibt es im Mai 2019, kurz nach Ostern, um ihm zu melden, dass Toko, der Onkel, immer noch nicht in Irrlitz aufgetaucht ist, sie ihn als vermisst gemeldet habe und nun den Saurierpark verkaufe. Anschliessend wolle sie ihn, Erich, in Bath besuchen. Dies in nüchternem, fast geschäftlichem Ton.
Zwei Dinge sind aus meiner Sicht bemerkenswert an diesem kurzen Roman. Da ist zum einen die Tatsache, dass die Stadt Wien offenbar diese Geschichte mit einem Wien-Hasser als Protagonisten finanziell gefördert hat; der Umstand zum andern, dass ich dessen Lektüre am Ostermontag, als Toko spätestens hätte auftauchen sollen, begonnen habe. Ansonsten lässt mich die Geschichte ratlos zurück. Sie ist keineswegs seicht, nein. Sie ist aber auch kein Meisterstück der Gegenwartsliteratur. Ich bereue nicht, sie gelesen zu haben, muss aber zugeben, dass sie nicht gelesen zu haben, auch keine Lücke im Portfolio eines Literaten hinterlässt.
Erwin Uhrmann: Toko. Innsbruck, Wien: Limbus, 2019